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Manager auf neuen Wegen

Von Katharina Schmidt

Wirtschaft

Manager lernen Sozialarbeit kennen. | "S(ch)ichtwechsel" soll Perspektiven erweitern. | Wien. Unter dem Motto "Wertschöpfung beruht auf Wertschätzung" haben Führungskräfte aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik im Rahmen des Projekts "S(ch)ichtwechsel" seit kurzem die Gelegenheit, eine Woche lang in einer sozialen Einrichtung - etwa bei der Betreuung Drogensüchtiger - mitzuarbeiten.


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Die Initiative beruht auf der Kooperation der Unternehmensberatungs-Firma "creaktiver" mit verschiedensten Sozialeinrichtungen, wie beispielsweise dem Wiener Hilfswerk, der Volkshilfe Wien und der Caritas Socialis.

Vor Beginn des einwöchigen Praktikums werden interessierte Manager in Einzelgesprächen beraten, dann haben sie die Möglichkeit, aus rund 25 zur Verfügung stehenden Praktikumsplätzen einen auszuwählen.

Bei der Mitarbeit in der sozialen Institution steht auf jeden Fall der Kontakt zu den Hilfesuchenden - nicht die Büroarbeit - im Vordergrund. Im Anschluss an die praktische Arbeit erwartet die Manager eine Nachbesprechung, gefolgt von Seminaren zu Themen wie Mitarbeiterführung, Motivation und Team-Entwicklung.

Die Firma bezahlt - und profitiert

Bei den meisten beteiligten Unternehmen gehöre das Projekt zum normalen Schulungsangebot, da die Firmen von der neu erworbenen sozialen Kompetenz ihrer Mitarbeiter profitieren würden, meint Bernd Hala von "creaktiver". Die Kosten von rund 2000 Euro pro "S(ch)ichtwechsel" übernehmen die teilnehmenden Firmen, 30 Prozent kommen den sozialen Einrichtungen als Kostenersatz und Anerkennung zu Gute.

Hartmut Müller, einer der beiden Teilnehmer der soeben zu Ende gegangenen Pilotphase, ist im Alltagsleben Geschäftsführer der Raiffeisen Informatik, bei "S(ch)ichtwechsel" hat er in einem Seniorenheim des Hilfswerks für obdachlose Frauen mitgearbeitet.

Begeisterung bei den Teilnehmern

Dabei sei ihm vor allem bewusst geworden, dass man bei der Betreuung sozial Bedürftiger keine traditionellen Führungsprinzipien anwenden könne. Außerdem überlege er sich den Einsatz von Sozialarbeitern in seiner eigenen Firma, um besser auf Probleme der Kollegen eingehen zu können. "Von allen Projekten, die ich bisher erlebt habe, ist dies eines der spannendsten", resümiert Müller.

Die Mediatorin Barbara Ganzinger hat ebenfalls einiges aus ihrer einwöchigen Tätigkeit bei Fawos, einer Mieter-Beratungsstelle der Volkshilfe, mitgenommen. Einerseits habe es viel Mut gefordert, in einer sozialen Einrichtung aktiv zu werden. Andererseits habe sie dadurch viel besser verstanden, "dass ich nicht der Nabel der Welt bin". Wie auch Hartmut Müller ist sich Ganzinger sicher, dass diese Initiative viel zur Bereicherung ihrer Persönlichkeit beigetragen hat.

"Hoffentlich keine Eintagsfliege"

Ursprünglich stammt die Initiative aus der Schweiz: Dort wurden im Rahmen des Projekts "Seitenwechsel" seit 1995 insgesamt 1450 Führungskräfte für die - kurzfristige - Sozialarbeit gewonnen. Einen ähnlichen Erfolg wünscht sich Bernd Hala: "Privatwirtschaft und Sozialarbeit sind zwei Welten, die in unserer Gesellschaft sehr stark voneinander getrennt sind", erklärt der Unternehmensberater. Ziel des "S(ch)ichtwechsels" sei es daher, diese beiden Welten einander anzunähern und den Austausch von Erfahrungen zu ermöglichen.

Derzeit wechseln vier Führungskräfte die "Schicht", bis Ende des Jahres sollen zehn weitere Kunden gewonnen werden. "Natürlich haben wir noch ein gutes Stück Aufmerksamkeits-Arbeit vor uns, aber wir hoffen, dass das Projekt keine Eintagsfliege wird", so Hala gegenüber der "Wiener Zeitung".