In Österreich werden selten Interimsmanager eingesetzt. Viele Firmen scheuen davor zurück, externen Managern zu vertrauen.
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Wien. Ob als Feuerwehr bei der Restrukturierung eines Unternehmens oder als Troubleshooter bei betrieblichen Sanierungsprozessen: Das Engagement von Interimsmanagern ist international längst gang und gäbe. In Österreich sind Manager auf Zeit hingegen eine eher seltene Spezies. Laut einer Studie des Personalvermittlungs-Unternehmens Bühler Management, das seit 2006 hierzulande rund 80 Chefs auf Zeit vermittelt hat, setzen derzeit nur rund 20 Prozent der österreichischen Unternehmen Interimsmanager ein. Österreichweit sind 40 Firmen tätig, die rund tausend Interimsmanager vermitteln.
Misstrauen
Eine aktuelle Umfrage des Unternehmensberaters Deloitte unter 123 heimischen Unternehmen ergab, dass zirka ein Drittel der befragten Firmen innerhalb der vergangenen fünf Jahre zumindest einen Interimsmanager beauftragt hatte. Im internationalen Vergleich ein äußerst bescheidener Wert. "Obwohl sich Unternehmen Kapazitätsausfälle oder Engpässe immer weniger leisten können und eine rasche Nachbesetzung von vakanten Positionen meist schwierig ist, sind Chancen und Vorteile von interimistischen Lösungen hierzulande noch kaum bekannt", bedauert Margareta Holz, Partnerin bei Deloitte Österreich. Doch woran liegt die Zurückhaltung?
"In Österreich ist man Innovationen gegenüber traditionell eher zurückhaltend, das ist beim Interimsmanagement nicht anders", erklärt Birgit Witzelsberger, Senior Consultant bei Deloitte, das Phänomen. "Tendenziell fehlt es den österreichischen Unternehmen häufig an Vertrauen, jemandem, der nicht fix angestellt ist und nach einigen Monaten das Unternehmen wieder verlässt, Einblick in wichtige Unternehmensziele und Kennzahlen zu gewähren."
Zudem würden viele mit Interimsmanagement automatisch Restrukturierung und Sanierung assoziieren und damit Situationen, die eher negativ besetzt sind. "Übersehen werden dabei andere Einsatzgebiete eines Interimsmanagers wie Projektmanagement, Einspringen bei Kapazitätsengpässen, Start-up-Begleitung oder Change Management", sagt Witzelsberger.
Lösung bei Personalengpass
Oft bringt auch ein schlichter Personalengpass wegen Unfall oder Krankheit einen "Leasing-Chef" ins Spiel. "Im Moment haben wir eine Anfrage, weil einer Mitarbeiterin eines Unternehmens eine Operation bevorsteht", schildert Witzelsberger ein Beispiel. "Auch bei langwierigen und komplizierten Personalsuchen haben wir bereits Interimsmanager als Überbrückung eingesetzt, bis ein Kandidat für eine fixe Besetzung der Position gefunden wurde."
Die wichtigsten Gründe für den Einsatz von Interimsmanagern sind laut Deloitte-Umfrage zu knapp einem Drittel Einsätze für Restrukturierung und Sanierung. In einem Viertel der Fälle waren Kapazitätsengpässe ausschlaggebend, gefolgt vom kurzfristigen Ausscheiden von Schlüsselarbeitskräften und daraus resultierende personelle Engpässe.
Interimsmanager arbeiten mittlerweile in nahezu allen Branchen. "In produzierenden Betrieben beziehungsweise Industriebetrieben werden schon relativ häufig Interimsmanager eingesetzt, ebenso in Technologie- und in Dienstleistungsunternehmen, teilweise auch im Konsumgüterbereich und im Finanzbereich", so Witzelsberger. Und wie stehen die heimischen Klein- und Mittelbetriebe dem Einsatz von Managern auf Zeit gegenüber? "Unserer Erfahrung nach sind kleinere Unternehmen zurückhaltend, weil sie einerseits keinen Bedarf sehen und anderseits die Kosten fürchten. Mittlere Unternehmen betrachten Interimsmanagement teilweise positiv, teilweise neutral bis eher ablehnend."
Was allen "Managern auf Zeit" gemeinsam ist, sind die hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Kein Wunder, sind sie doch als spezielle Schlüsselkräfte sowohl in Führungspositionen als auch in Expertenfunktionen oft mit der Leitung ganzer Abteilungen betraut. "Interimsmanager sind Menschen, die im Laufe ihres Lebens in fixer Anstellung oder auch selbständig mehrere berufliche Stationen und Positionen durchlaufen haben", skizziert Witzelsberger den "typischen" Chef auf Zeit. "Das sind Manager im Alter ab 45 Jahren, denen Abwechslung und Herausforderungen wichtig sind, die eher wenig an Routinetätigkeiten interessiert sind, sondern etwas bewegen und umsetzen wollen."
Dazu müssen Interimsmanager über ein gutes professionelles Netzwerk verfügen, flexibel denken und handeln, sich schnell auf Neues einstellen können, rasch einen Überblick über eine Situation gewinnen und eine sehr hohe fachliche Expertise aufweisen. "Sie müssen aber auch ausgeprägte Soft Skills und hohe soziale Kompetenz mitbringen, über sehr gute Führungserfahrung verfügen und Mut zum Risiko haben", beschreibt Witzelsberger wichtige Anforderungen.
Vorteile vermitteln
Bleibt die Frage, wie das Modell Interimsmanagement in Österreich an Dynamik gewinnen könnte. Witzelsberger: "Dafür, wie schnell die Bewusstseins-Schärfung für dieses Thema in den heimischen Unternehmen vorangeht, werden neben dem Beispiel anderer europäischer Länder wie Deutschland sicher die allgemeine Wirtschaftsentwicklung und die Intensivität der Marktbearbeitung durch die Anbieter von Interimsmanagement eine entscheidende Rolle spielen."
Wichtig dabei wird sein, den Unternehmen die Vorteile des befristeten Einsatzes externer Spezialisten vor Augen zu führen. So sind beim Interimsmanagement etwa Zeit und Honorar klar definiert, während der Personalstand unberührt bleibt. "Ein externer Manager mit Entscheidungsbefugnis kann außerdem frischen Wind in ein Unternehmen bringen", weist Holz auf ein weiteres Asset hin. "Und oft gelingt es dadurch, eingefahrene Abläufe oder Strukturen zu durchbrechen oder anzustoßen."