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Manches braucht Zeit

Von Christina Böck

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Es ist schon ein gewaltiger Zeitraum für einen Zeitungsartikel. Zehn Jahre lang haben sich Reporter des "The Post and Courier" mit einem Thema beschäftigt. Nicht nur natürlich - das geht bei einem Team von 80 Redakteuren gar nicht. Zehn Jahre lang haben sie ungeklärte Todesfälle untersucht. Es ging dabei um Frauen, die angeblich bei Unfällen, durch Selbstmord oder eines natürlichen Todes gestorben waren. In Wahrheit handelte es sich aber um Opfer häuslicher Gewalt. Sie wurden von ihren Männern erschlagen, erstochen, erschossen, verbrannt. Alle zwölf Tage passierte in South Carolina, im tiefsten Süden der USA, so ein Mord. Die Mordrate an Frauen ist hier zwölf Mal so hoch wie in den restlichen USA. Aber die Behörden schauen weg. Etwa, als die 25-jährige Erica Anderson im zweiten Monat schwanger von ihrem Freund mit 25 Messerstichen erstochen wurde - vor den Augen ihrer Tochter.

Der Artikel beginnt mit einem anschaulichen Beispiel: Mehr als dreimal so viele Frauen wurden von ihren Partnern ermordet als Soldaten aus South Carolina in Afghanistan und Irak zusammengenommen. So etwas ist schlicht und einfach handwerklich guter Journalismus. Es ist gut, dass diese Recherche den Pulitzerpreis gewonnen hat. Es ist eine Würdigung dafür, dass manche Geschichten Zeit brauchen. Zeit, um in die Tiefe zu gehen, Zeit, um die Fakten richtig zu haben, Zeit, um größere Zusammenhänge zu verstehen und darstellen zu können. Das ist in unserer Zeit der Schnellfeuermeldungen, die am nächsten Tag keinen mehr interessieren, besonders wertvoll.