Vor 50 Jahren siegte Israel im Sechstagekrieg. Zwei Ex-Militärs kritisieren den fehlenden Mut für eine Zweistaatenlösung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Das Militär ist seit der Staatsgründung 1948 eine tragende identitäre Säule der jüdisch-israelischen Gesellschaft. Es verbindet europäischstämmige Juden mit orientalischen, Linke und Rechte, Männer und Frauen - sie sind ebenfalls zum Dienst verpflichtet - sowie Säkulare und Religiöse, mit Ausnahme der Ultraorthodoxen. Die Armee (IDF) sorgte für den größten Sieg in der Geschichte Israels: Als der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser Ende Mai 1967 erklärte, oberstes Ziel sei "die Zerstörung Israels", und der irakische Staatschef Abdul Rahman Arif drohte, Israel von der "Landkarte zu tilgen", schritt die IDF ein: Im Sechstagekrieg von 5. bis 10. Juni 1967 besiegte sie neben Ägypten und Syrien auch Jordanien und den Irak. Mit einem Schlag verdreifachte sich das Territorium, wurde Israel Besatzungsmacht über eine Million Araber.
Der Triumph der Armee bedeutet enorme politische Konsequenzen bis heute, alleine im Westjordanland leben nun rund 2,9 Millionen Palästinenser. Gleichzeitig gibt es dort mehr als 400.000 jüdische Siedler im biblischen Judäa und Samaria, weitere 200.000 Juden leben im annektierten Ostjerusalem. Die Ereignisse von 1967 wurden somit auch zur Basis späterer Friedensverhandlungen. Doch eine Zweistaatenlösung scheint derzeit in weiter Ferne. Eine Gruppe hochrangiger Ex-Militärs, die sich im "Council for Peace und Security" zusammengeschlossen haben, kämpft für eine Einigung. Diese sei "möglich, aber schwierig", sagt deren Vorsitzender, Gadi Zohar. Der frühere General sieht fünf Problemfelder: die Evakuierung israelischer Siedlungen; der Status von Jerusalem; das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge; Sicherheitsfragen sowie die konkreten Grenzziehungen.
"Die größten Hindernisse auf israelischer Seite betreffen die Siedler und Jerusalem, auf palästinensischer ist es die Flüchtlingsfrage", sagt Zohar zur "Wiener Zeitung". Ihm zufolge leben 80 Prozent der Siedler in der Nähe der Grenzen von 1967. Diese Territorien sollten an Israel angegliedert werden. Ein Fünftel der Bürger müsste man umsiedeln.
Vorbild Gaza-Räumung
"Das wird nicht einfach, aber es ist schaffbar", meint Zohar. 2005 räumte Israel die Siedlungen im Gazastreifen, es kam dabei zu Ausschreitungen. Damals handelte es sich "nur" um 10.000 Personen, noch dazu hat der Küstenstreifen keine religiös aufgeladene Bedeutung wie das Westjordanland. Ex-General Zohar wendet ein, auch bei Gaza sei die Räumung im Vorfeld als unmöglich dargestellt worden, dennoch funktionierte das Unterfangen. Denn der damalige Premier Ariel Sharon, der erst über Jahrzehnte die Siedlerbewegung unterstützt hatte, warf 2005 sein politisches Gewicht für eine Kehrtwende in die Waagschale.
"Es geht also um die politische Großwetterlage und um Führungsstärke", konstatiert Zohar, der in den 1990ern Leiter der Zivilverwaltung im Westjordanland war; jener sogenannten Area C, die unter fast vollständiger israelischer Zivil- und Sicherheitsverwaltung steht. Bloß, welche Politiker sind dazu heute willens und politisch stark genug? "Nur die Rechte kann in Israel Abkommen solcher Tragweite umsetzen", sagt Ivri Verbin, Vorstandsmitglied des "Council for Peace und Security". Benjamin Netanjahu war zwar bereits von 1996 bis 1999 Premier und amtiert seit 2009 wieder. Er stammt - wie Sharon ursprünglich - aus dem nationalkonservativen Likud und prägt seit Jahrzehnten das politische Geschehen entscheidend mit. Dennoch sei Netanjahu ein "Rätsel". Zohar fürchtet, dass der Ministerpräsident keine Kehrtwende plant - es sei denn, die Vereinigten Staaten würden Netanjahu dazu drängen. Doch niemand weiß, was konkret US-Präsident Donald Trump vorschwebt, wenn er vom "ultimativen Deal" für den Nahen Osten spricht. Das Wort Zweistaatenlösung nimmt Trump nicht in den Mund, er spricht von palästinensischer "Selbstbestimmung".
Weder Zohar noch Verbin, die auf Einladung des Österreich-Ablegers des "New Israel Fund" in Wien weilten, sehen derzeit eine Persönlichkeit in Israel, welche die notwendige Führungsstärke für ein Abkommen aufbringe; ebenso wenig aufseiten der Palästinenser. Präsident Mahmud Abbas ist 82 Jahre alt, seine Fatah regiert nur im Westjordanland, während die Hamas ihr Regime im Gazastreifen konsolidiert hat.
Drei Staatsgebilde?
Beide Seiten bräuchten "einen Schubser von außen", plädieren die Ex-Militärs. Sie bevorzugen statt einer Großvereinbarung einen schrittweisen Prozess. Zugleich komme "Israel dem Zeitpunkt immer näher, an dem es sich entscheiden muss, ob es ein demokratischer und jüdischer Staat bleibt". Verweigert es die Zweistaatenlösung, wären die Juden bald in der Minderheit; die 1,8 Millionen arabischstämmigen Israelis mitgezählt. Dazu unterminiert die Unterdrückungspolitik Israels demokratischen Status.
Doch nicht nur ein binationaler Staat scheint möglich: Falls Israel ein Abkommen für das Westjordanland schließt und mit der Hamas Koexistenz im Gazastreifen vereinbart, gleichzeitig sich Hamas und Fatah nicht über den Zusammenschluss der Palästinensergebiete einigen, könnte es de facto drei Staatsgebilde geben.