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Mangos und südsteirische Weingärten - Fragen über Fragen zur österreichischen Internationalität

Von Maria Reininger

Gastkommentare
Maria Reininger ist Redakteurin beim ORF-Radiosender Ö1. Sie hat Theologie in Wien und Tübingen studiert. Neben journalistischer Arbeit zu sozial- und entwicklungspolitischen Themen war sie auch für die Pressearbeit für dieauch vom Ökonomen Jeffrey Sachs mitgetragene finanzpolitische Initiative Jubilee 2000 zuständig.

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Ein paar Kilometer Grenzzaun bauen, Weinhügel entlang, einen Zaun, den es nicht einmal zu Titos Zeiten gab, Wehrhaftigkeit symbolisieren. Und Leidensdruck verschärfen, so die Ankündigung des Außenministers. Wo bleiben menschliche Ideen? Wo ist die Außen- und Wirtschaftspolitik, die es Menschen ermöglicht, in ihren Herkunftsländern zu bleiben, wenn sie das wollen?

Wie begegnen wir der repressiven Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die angetan ist, noch mehr Menschen in die Flucht zu treiben? Einer Politik der Zensur, die Can Dünder, Chefredakteur von "Cumhuriyet", einer der wichtigsten Zeitungen des Landes, verhaften ließ, davor ebenso schon vier Staatsanwälte, weil sie Waffenlieferungen, die vermutlich an die islamistische Al-Nusra in Syrien gehen sollten, stoppen und dokumentieren ließen. Angeblich verstieß die Veröffentlichung gegen türkische Interessen. Sedat Ergin, Chefredakteur von "Hüriyet", der größten türkischen Zeitung, droht Anklage weil er sich über Erdogans Inszenierung eines Konflikts mit den Kurden geäußert hat.

Was tut Europa inden Konfliktländern?

Was würden wir uns von Europa wünschen, wenn das den Chefredakteuren der wichtigsten Zeitungen Österreichs passierte? Wer verlangt hier Aufklärung? In Diyarbakir leiden Menschen seit Wochen unter einer 24-stündigen Ausgangssperre - letztlich, weil Erdogan die Wahlen verloren hat. Wer berichtet darüber? Und wie fördern wir in der Türkei demokratische Gesellschaftsmodelle, in denen Frauen entscheidende Positionen innehaben? Nicht immer, aber häufiger werden sie von Kurden und Kurdinnen gelebt.

Was tun wir im Jemen, wo von der europäischen Öffentlichkeit unbemerkt Vorislamisches ausgelöscht wird? Was in Syrien, Saudi-Arabien und anderen Konfliktländern des Nahen und Mittleren Ostens außer die Frage zu stellen: "Sind Sie Schiit oder Sunnit?" Eine Frage, die mit ihrer oberflächlichen Zweiteilung die Komplexität von Konflikten übergeht, eine Frage, die viele Menschen aus genau diesen Ländern nicht mehr hören können, weil sie eben andere Vorstellungen haben.

Wieso fördern wir Austausch unter dem Paradigma Religion? Wo blieb in den vergangenen Jahren die klare und lautstarke öffentliche Forderung, Hinrichtungen in Saudi-Arabien abzuschaffen, statt kleinmauliger Rücksicht auf Geschäftsbeziehungen inklusive Waffenlieferungen? Wann beginnen wir einen internationalen Dialog mit Frauen und Männern verschiedener Weltanschauungen? Wo bleibt die Importförderung von Kultur? Ein Workshop arabischer Autorinnen in Wien war zuletzt ein zaghafter Ansatz, es fehlt aber insgesamt ein neuer Rahmen.

Die wichtigstenFluchtgründe minimieren

Wir müssen uns mit den zwei wichtigsten Fluchtgründen engagierter beschäftigen und sie minimieren. Mit den kriegerischen Konflikten vor allem im Nahen und mittleren Osten - wie beschrieben - und mit der wirtschaftlichen Benachteiligung vor allem in Afrika. Eine Chance bietet das - was Migration betrifft - noch stabile Land Burkina Faso, eines der ärmsten Westafrikas. Die Menschen haben zwar Diktator Blaise Compaoré vor kurzem abgewählt, ob aber dessen Nachfolger Roch Marc Christian Kaboré tatsächlich eine Alternative zu Diamanten- und Waffenschmuggel und damit Kriegstreiberei in Westafrika schafft, ist fraglich und hängt auch von internationaler Kontrolle wie fairen Wirtschaftsbeziehungen ab.

Österreich, nicht der wichtigste, aber doch ein entwicklungspolitischer Partner, muss dort auch für Wirtschaft sorgen, die Arbeit und Einkommen schafft. Fairtrade-Baumwolle und eine eigenständige Textilindustrie für den Export gehören dazu. Es gibt gute österreichische Untersuchungen, die den Unterschied zwischen Ernteausfallversicherungen für Baumwolle und einem ruinösen Spiel mit Baumwollpreisen herausgearbeitet habe. Die wären zu beachten. Die Möglichkeit, Mangos massenhaft zu exportieren - ohne Saatgut gentechnisch zu verändern und damit Kleinbauern de facto zu enteignen - gehört ebenso dazu wie die Stärkung einer unabhängigen Filmindustrie. Europäisch-afrikanische Tandemprojekte wären dazu angetan.

Wenn das europäische Parlament mit dem westafrikanischen Guinea Bissau Fischfangabkommen beschließt, das Gelder unter dem Titel "Förderung der Fischfangindustrie" offensichtlich in dubiosen Kanälen verschwinden lässt, dann können durchschnittliche Fischer mit ihren Booten nichts Sinnvolleres mehr anfangen, als sie zur Flucht zu benutzen. Wer überprüft solche Abkommen? Und wie stimmen österreichische EU-Parlamentsabgeordnete in solchen Fällen ab?

Österreich braucht eineffektiveres Waffenexportgesetz

Österreichische Entwicklungspolitik soll laut Regierung nun stärker Exportförderungspolitik werden. Wer aber profitiert etwa vom Spiel mit Privatgeschäften heimischer Unternehmer und staatlichen Haftungen, wenn das Geschäft nicht klappt? Wir brauchen ein Waffenexportgesetz, das Exporte vor Ausfuhr Österreichs Parlament vorlegt statt bloß im Nachhinein dem EU-Parlament. Das ist umso dringender, da die Kontrolle über Weiterverkäufe im Ausland schwer möglich ist. Vorschreiben muss man sie trotzdem. Erst recht in Krisenzeiten. Wo bleibt da die öffentliche Debatte? Wer diskutiert eine eigenständige EU-Wirtschaftspolitik und Fairtrade unabhängig von Gazprom- und TTIP-Begehrlichkeiten? Konstruktive Fantasie für ein internationales Gemeinwohl ist gefragt.

Und die Integrationspolitik? Syrische Ärztinnen werden dringend gebraucht, afghanisch-österreichische Cafés sind wünschenswert. Öffentliche Investitionen dazu lohnen sich, wie Ökonomen bestätigen. Eine Willkommenskultur, in der ohne Naivität gerechnet wird, ist möglich.