Jede fünfte Frau wird Opfer von Gewalt in der Beziehung. Aussagen wie jene eines islamischen Religionslehrers zur Rolle der Frau zeigen die Gefahr von Rückschritten.
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Wien.Wie vielen Frauen begegnen Sie täglich, auf Ihrem Weg zur Arbeit, im Büro, beim Einkaufen, beim Weggehen? Ziemlich sicher mehr als fünf. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass zumindest eine von ihnen ein Opfer von Gewalt in der Beziehung ist. Denn jede fünfte Frau wird einmal oder mehrmals in ihrem Leben ein solches Opfer, sagte am Mittwoch, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). In konkreten Zahlen sind das 300.000 Frauen pro Jahr, die von ihren Partnern oder Ex-Partnern misshandelt werden.
Bereits vor zwei Jahren hatte Heinisch-Hosek die Kampagne "Gewaltfrei leben" gestartet, die nun zu Ende gegangen ist. Dazwischen wurden Workshops an Schulen durchgeführt, Pädagogen speziell geschult und die Telefonnummer der Frauenhelpline (0800-222-555) verbreitet. Das alles habe zur Bewusstseinsbildung beigetragen, so Heinisch-Hosek.
"Männlichkeiten in Konkurrenz"
Mehr als verstörend wirken in diesem Zusammenhang allerdings die Aussagen des Vorsitzenden der islamischen Religionsgemeinde in Oberösterreich und islamischen Religionslehrers Murat Baser im "Neuen Volksblatt" zur Rolle der Frauen (Dienstag-Ausgabe). Davon, dass Gott die Verantwortung an die Männer gegeben habe, war dabei die Rede. Und davon, dass Gott keine einzige Frau als Prophet geschickt habe, weil Frauen physisch und psychisch schwach seien.
Die Welle des Protests war groß. Das sei "ein Schlag ins Gesicht der Gleichberechtigung und eine Verharmlosung von Gewalt an Frauen", hieß es etwa von den weiblichen ÖVP-Abgeordneten. Und auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich sprach sich am Mittwoch gegen das vermittelte Frauenbild ihres oberösterreichischen Vorsitzenden aus.
"Überall dort, wo Macht im Spiel ist - zum Beispiel bei religiösen oder politischen Prozessen - geht es nicht nur um Inhalte. Es treten immer auch Männlichkeiten in Konkurrenz", sagt dazu Romeo Bissuti, Obmann der White-Ribbon-Kampagne, die sich für eine Beendigung der Männergewalt in Beziehungen einsetzt. Es seien Männlichkeiten, die sich mächtig fühlen wollen. Letztendlich reduziere es sich dabei immer auf die Frage, "wer den Ton angibt", so Bissuti zur "Wiener Zeitung".
Andere zu übertrumpfen habe langfristig aber noch nie zu Erfolg geführt, denn: "Das, was den Menschen das Überleben ermöglicht hat, war das soziale Miteinander." Tatsachen wie diese müsse man sich vor Augen halten, wenn es um Geschlechterdemokratie geht.
Grundsätzlich sei sehr wohl zu bemerken, dass sich die Einstellung in der Gesellschaft in Richtung Gleichberechtigung bewege. Immer mehr Männer gingen zum Beispiel in Karenz oder seien in einem Sozialberuf tätig. Noch immer aber sei es ebenfalls Teil der Männlichkeitsvorstellung - geprägt durch Medien und Erziehung -, dass Männer Gewalt anwenden dürfen und Frauen "nach ihrer Pfeife tanzen müssen".
20 Wegweisungen täglich
Österreichweit gibt es 20 Wegweisungen täglich. Zu 95 Prozent sind Männer betroffen. Kommt es zu Vergewaltigungen, wird allerdings nur eine von zehn angezeigt. Ein großer Teil der Gewalt bleibt also unentdeckt. Aus Angst, die Familie zu zerstören, aus Angst, alles nur noch schlimmer zu machen - aus Angst vor dem Täter.
Physische Gewalt - vor allem in Beziehungen -sei fast immer mit psychischer Gewalt verknüpft, sagt Bissuti. Zuletzt wurde das bei einem Fall an einer Grazer Schule deutlich, wo eine 15-Jährige bereits im Mai von mehreren Jugendlichen vergewaltigt worden sein soll. Erst, nachdem diese die Schule gewechselt hatten, erzählte das Mädchen Monate später einem Betreuer von Übergriffen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vergewaltigung und unterlassener Hilfeleistung.
Auch Männer werden Opfer von Gewalt, und zwar genauso oft wie Frauen - dabei gehe es aber fast immer um Gewalt unter Männern, sagt Bissuti. Von sexueller Gewalt seien vor allem Buben betroffen.