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Mädchen früh zu stärken ist allen Parteien wichtig. Einige setzen auf Gesetze, andere auf Anreize.
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Wien. Das Businessnetzwerk "Frau im Fokus" lud Vertreterinnen der Parlamentsparteien zu einer Debatte über Frauenpolitik in der Gesellschaft von heute. Dass Gleichstellung mehr zum Männerthema werden muss, darin waren sich SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek, ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger, die Grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, Neos-Vizechefin Beate Meinl-Reisinger und die Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Elisabeth Schmidt einig.
Bilder von und Bildung für Mädchen
Gleichstellungspolitik muss schon bei Mädchen ansetzen. Schon die Wahl der Lehrberufe zeigt exemplarisch: Der kleine Unterschied ist immer noch groß. Die Hälfte der 15-jährigen Mädchen strebt Berufe im Verkauf, im Büro oder als Friseurin an, bei den Burschen aber sind Metall-, Elektro- und KFZ-Technik an der Spitze. Spätere Einkommensunterschiede sind damit vorgezeichnet.
Den Befund teilen die Politikerinnen zwar, die Wege zu mehr Chancengleichheit sind allerdings sehr unterschiedlich: Ulrike Lunacek von den Grünen plädiert für "eine Schule für alle bis zum 14. Lebensjahr". Mehr Teamsport für Mädchen könne diese lehren, sich weniger als Konkurrentinnen zu sehen. Und geschlechtergerechte Sprache schon in Schulbüchern sorge für mehr Sichtbarkeit von Frauen und Mädchen. Der Filmtitel "Die Deutschen und ihre Männer" zeige zum Beispiel auf, dass Frauen und Mädchen eben doch nicht immer mitgemeint seien.
Politik könne "hier nur sehr bedingt etwas machen, Role-Models zeigen oder bestimmte Lehrberufe vor den Vorhang holen", sagt dagegen Beate Meinl-Reisinger von den Neos. Sie lehnt "Kümmerprogramme" ab, fordert stattdessen "mehr Persönlichkeitsentwicklung in der Schule als Rüstzeug - damit Mädchen selbst erkennen, was ihr Beitrag in der Gesellschaft sein kann." Auch Elisabeth Köstinger von der ÖVP setzt auf Vorbilder - auch in der Politik: "Nicht damit sie Frauenpolitik machen, sondern in allen Bereichen vertreten sind."
Elisabeth Schmidt von der FPÖ wiederum will Berufe, in denen viele Frauen arbeiten, "finanziell aufwerten". Neben fehlender Wirtschaftspolitik in den Schulen, "was den Horizont von Mädchen erweitern kann", und einschüchterndem Sexismus, den sie bei anderen Parteien beobachte, macht sie Migration für frauenpolitische Fehlentwicklungen verantwortlich: "Man muss aufpassen, weil durch Zuwanderer durchaus das, was wir uns bei der Rolle der Frauen erkämpft haben, immer weiter in den Hintergrund rückt."
Dem widerspricht SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek vehement: "Rollenzuschreibungen haben eine weitaus längere Geschichte als die Zuwanderung." An Maßnahmen wären der SPÖ ein zweites Gratiskindergartenjahr, mehr Bezahlung für dessen Pädagoginnen und mehr Förderung von Mädchen in Naturwissenschaften wichtig. Die generelle Neubewertung von Arbeit sei aber Sache anderer: "Ich vertraue auf die Sozialpartner, den Wert der Arbeit neu zu definieren."
Frauenpolitische Gesetze versus Anreize setzen
Der Mindestlohn von 1500 Euro gehört für Heinisch-Hosek überhaupt zu den wichtigsten frauenpolitischen Forderungen im SPÖ-Wahlprogramm. Dazu höhere Überstundenzuschläge für Teilzeitarbeitende, um sie auf jene von Vollzeitarbeitenden anzugleichen und echte Lohntransparenz: "Die Einkommensberichte reichen nicht aus." Für Ulrike Lunacek ist zusätzlich zur Frauenquote in Aufsichtsräten auch eine für Vorstände von börsennotierten Unternehmen von zentraler Bedeutung. Mehr gesetzlich verordnete Transparenz beim Einkommen würde Frauen außerdem die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit erleichtern.
Von solchen gesetzlichen Vorgaben hält Meinl-Reisinger dagegen wenig. Anders bei Pensionen, da baut auch die Neos-Politikerin auf das Gesetz: "Ein früheres Anheben des Frauenpensionsalters steht in unserem Programm." Dazu kämen kürzere Karenzzeiten, die sich beide Eltern teilen müssten, das wäre ein Anreiz für Männer, bei den Kindern zu bleiben. Auch FPÖ-Vertreterin Schmidt betont Wahlfreiheit anstelle von Verpflichtungen: "Es darf keine Weggabelung geben, die in eine Sackgasse führt." Lohntransparenz und gleicher Lohn für gleiche Leistung seien selbstverständlich. Als Wege dahin nennt Schmidt mehr Anrechnung von Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten auf Löhne und Pensionen. Auch die Forderung nach Mindestlöhnen und Mindestpensionen seien Teil der Frauenpolitik.
Elisabeth Köstinger vertröstet in Sachen Frauenpolitik auf das allgemeine ÖVP-Wahlprogramm, das im September präsentiert wird. Man habe in der Volkspartei für das Reißverschlusssystem von Frauen und Männern auf den Wahllisten gekämpft, um Chancengleichheit herzustellen: "Das sind Anfänge, wo man weiter machen kann." Es brauche Anreize, damit sich Frauen trauen, mehr Lohn zu fordern und auch flächendeckende Kinderbetreuung sei ein Thema für die ÖVP.
Allen Politikerinnen ist es ein Anliegen, Männer und Buben für Gleichstellungspolitik zu gewinnen: Die Neos nennen es "aktive Männerpolitik", die ÖVP "Anreize für Männer, sich partnerschaftlich in die Familie einzubringen". Die SPÖ fordert, dass sich alle Minister mehr für Genderbudgeting einsetzen. Und Schmidt sagt, dass in der FPÖ "alle für Frauenpolitik sprechen". Beifall im Publikum fand Lunacek mit ihrer Ansage: "Den Kampf gegen Gewalt in der Familie müssten nicht Frauen, sondern Männer mit ihren Geschlechtsgenossen führen."