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Männerfreundschaft mit Vorzügen

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik
Das Naheverhältnis zwischen Orbán und Putin besteht seit Jahren. Ein offizielles Treffen gab es zuletzt im Februar 2016.
© pool

Putin ist am Donnerstag zu Besuch bei Orbán - Dieser will das AKW Paks reden, Putin dürfte es um ein Veto gegen die EU-Sanktionen gehen.


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Budapest. Ungarn rüstet sich für einen weiteren Höhepunkt einer schon seit Jahren bestehenden Männerfreundschaft: Russlands Präsident Wladimir Putin besucht am Donnerstag den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Budapest. Die zwei "Illiberalen" könnten sich noch näher kommen, wenn der Gastgeber in Aussicht stellt, das letzte Hindernis auf dem Weg zur totalen Harmonie aus dem Weg zu räumen: Die EU-Sanktionen gegen Russland, die Orbán bisher zwar immer wieder kritisiert hat, ohne sie aber im Europäischen Rat durch sein Veto zu blockieren.

In dunkler Vorahnung hatte Ungarns führendes politisches Wochenmagazin "HVG" letzte Woche eine Zeichnung auf dem Titelblatt, die Putin und Orbán bei einem Bruderkuss zeigt, der dem berühmten Präzedenzfall zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker nachempfunden wurde.

Putins illiberales Russland als Vorbild

Bereits im Sommer 2014 hatte Orbán in seiner Illiberalismus-Rede Putins Russland als Vorbild gepriesen. Nach Putins Modell hat Orbán zum Teil erfolgreich versucht, Medien und Bürgerrechtsorganisationen zu knebeln. Bei Orbáns Visite vor einem Jahr in Moskau lobte Putin wiederum Orbáns Flüchtlingspolitik.

Ermutigt durch das Vorbild des neuen US-Präsidenten Donald Trump und den geplanten Brexit folgten zuletzt weitere Avancen aus Budapest. Orbán war der einzige EU-Regierungschef, der Trump enthusiastisch zur Wahl gratuliert hatte. Dem neuen isolationistischen Kurs aus Washington und London folgend, verkündete Orbán vor einer Woche: "Der Multilateralismus ist zu Ende, die Ära des Bilateralismus hat begonnen." Das dürfte Musik in Putins Ohren gewesen sein, ebenso wie ein weiterer Satz Orbáns: "Die große Frage der Zukunft ist, ob sich Europa ohne die USA verteidigen kann."

Dabei zeigen die historischen Lasten auf den ungarisch-russischen Beziehungen immer wieder ihre Spuren. Im vergangenen Herbst jährte sich der ungarische Volksaufstand von 1956, der von sowjetischen Truppen brutal niedergeschlagen wurde, zum 60. Mal. Das russische Staatsfernsehen kommentierte das Jubiläum mit der Behauptung, dass die Revolte damals von westlichen Mächten, darunter den USA, angezettelt worden wäre. Orbáns Außenminister Péter Szijjártó sah sich genötigt, den russischen Botschafter in Budapest einzubestellen. "Wir erlauben es niemandem, in demütigender Weise über die Revolution von 1956 und deren Helden zu sprechen", schrieb das Ministerium. Es war die einzige russisch-ungarische Verstimmung der vergangenen Jahre. Szijjartó ging eifrig an die Vorbereitung des Putin-Besuchs.

Orbán setzt bei der Visite auf Fortschritte beim umstrittenen Ausbau des AKW Paks, das vom russischen Konzern Rosatom erweitert werden soll - obwohl Experten das Projekt für unrentabel halten. Was bei den Gesprächen über das Paks-Projekt konkret herauskommen soll, wurde nicht öffentlich bekannt, nicht einmal Orbáns Sprachrohr "Magyar Idök" nannte dazu Details. Ohnehin sind die wichtigsten Teile dieses 2014 beschlossenen Vertrags für 30 Jahre für geheim erklärt worden, sodass auch über die heutigen Gespräche kaum etwas verlautbart werden dürfte.

Bekannt war zunächst nur, dass Außenminister Szijjártó schon am Vorabend des Putin-Besuchs den Generaldirektor von Rosatom, Alexej Lichatschow, traf, sowie den russischen Industrieminister Denis Manturow und Außenminister Sergej Lawrow. Zur Vorbereitung des Putin-Auftritts in Budapest war Szijjártó sogar eine Woche vorher nach Moskau geflogen.

Rosatom soll das Kernkraftwerk Paks um zwei Blöcke erweitern. Die Kosten von insgesamt 12,5 Milliarden Euro sollen durch einen russischen Kredit von zehn Milliarden Euro finanziert werden, den Rest trägt der ungarische Staat. Die EU hatte gegen diesen Deal zunächst Bedenken, weil es kein transparentes Ausschreibungsverfahren gegeben hatte. Ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wurde aber im November eingestellt. In der Schwebe ist in Brüssel ein weiteres Verfahren, bei dem geklärt werden soll, ob die Investition Ungarns in Paks als unerlaubte staatliche Beihilfe im Energiesektor einzustufen ist.

Rosatom-Chef Lichatschow sagte "Magyar Idök", er hoffe, dass dieses Hindernis aus Brüssel bald beseitigt werde, sodass die Bauarbeiten in Paks planmäßig 2018 beginnen können. Die Zeitung will zudem von einem Putin-Berater erfahren haben, dass in Budapest auch mögliche Beteiligungen Ungarns an Gasprom-Projekten zu Sprache kommen sollen.

Auch iranische Freunde Moskaus willkommen

Für Unmut sorgte das Paks-Projekt auch bei Umweltschützern. Orbán hatte die Atomaufsichtsbehörde des Landes per Parlamentsbeschluss entmachtet. Sie darf nun im Genehmigungsverfahren zu Paks umgangen werden. Von politischer Seite kam dazu Kritik nur von der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks.

Über die Atomwirtschaft will Ungarn seine Fühler auch zu weiteren Freunden Putins ausstrecken: Bereits vor einem Jahr, kurz nach dem Ende der EU- und US-Sanktionen gegen den Iran, vereinbarte Außenminister Szijjártó mit dem Teheraner Atomchef Ali Akbar Salehi ein Ausbildungsprogramm für iranische Nukleartechniker in Ungarn.