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Mannesmann-Prozess: Moderner Ablasshandel oder business as usual

Von Helmut Dité

Analysen

Geld hat ihn ausgelöst, Geld auch wieder beendet: Deutschlands spektakulärster Wirtschaftsprozess um 57 Millionen Euro an Prämien und Abfertigungen im Zuge der Übernahme des deutschen Mannesmann-Konzerns durch den britischen Mobilfunkriesen Vodafone wurde eingestellt, die sechs Angeklagten zahlen zusammen rund 5,8 Millionen Euro an die Staatskassa und gemeinnützige Einrichtungen.


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Davon entfallen 3,2 Millionen auf Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann - der die Prämien als Aufsichtsrat genehmigt und stets als berechtigt verteidigt hatte - und 1,5 Millionen an Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser, der 16 Millionen Euro kassierte. Beide verließen als unbescholtene Bürger das Düsseldorfer Gerichtsgebäude - "erleichtert", wie Ackermann der Presse via seinen Anwalt ausrichten ließ.

Eine salomonische Lösung, die alle Beteiligten und auch das "öffentliche Interesse" zufrieden stellt, sagen die einen. Moderner Ablasshandel, eine Freikaufaktion, empören sich die Kritiker. "Wäre der Satz 'Die Kleinen henkt man und die Großen lässt man laufen' noch nicht erfunden, wäre heute der richtige Tag dafür", schimpfte etwa Grünen-Fraktionschefin Renate Künast.

Dabei stützt sich die Einstellung des Verfahrens auf den Mitte der 70er Jahre geschaffenen Paragraf 153a der deutschen Strafprozessordnung - und der war ursprünglich nur für die kleinen Fische gedacht. Die Gerichte sollten "bei geringer Schuld" von massenhaft auftretenden Bagatelldelikten entlastet werden. Erst 1993 wurde diese einschränkende Formulierung gestrichen - und die vormals für Ladendiebe und Automatenknacker gedachte Norm kam des öfteren auf die Titelseiten: Tennisstar Steffi Graf zahlte 1997 einen stattlichen Betrag und wurde so einen Prozess wegen Steuerhinterziehung los; der Ex-Opel-Manager und spätere VW-Vorstand José Ignacio Lopez überwies im Jahr darauf 400.000 D-Mark an eine Wohltätigkeitseinrichtung, um nicht mehr der Industriespionage bezichtigt zu werden; Bundeskanzler Helmut Kohl entkam 2001 dem Untreueprozess um CDU-Parteispenden gegen Zahlung von 300.000 Mark.

Kann man sich also freikaufen? Sogar dann, wenn, wie in diesem Fall, der Bundesgerichtshof den Tatbestand der Untreue als verwirklicht ansieht, die Aufsichtsräte als "Gutsverwalter, nicht Gutsherrn" in die Schranken weist?

Richter Stefan Drees in Düsseldorf wehrte sich schon in der Begründung seiner Entscheidung: Die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung sei keine Vorschrift, die Reiche begünstige. Allein im Jahre 2003 seien auf dieser Grundlage in Deutschland rund 126.000 Verfahren eingestellt worden - man könne wohl davon ausgehen, dass die weitaus überwiegende Zahl der Fälle keine Vielverdiener betroffen habe.

Die Prämienempfänger dürfen ihre Millionen behalten - die Frage, ob es sich bei den Zahlungen um Untreue gehandelt hat, bleibt juristisch ungeklärt.