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Männliches Gedenken

Von Bettina Figl

Politik
© Verein Österreichischer Auslandsdienst

Gedenkdienst in einem Holocaust-Mahnmal im Ausland statt Zivildienst. Frauen wollen auch, dürfen aber nur auf Eigenkosten.


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Wien. Schülerlotse in Favoriten oder Sanitäter in Amstetten sind nicht die einzigen Möglichkeiten, den Zivildienst abzuleisten. Ersatzweise kann der Sozialdienst auch im Waisenhaus in Uganda, im Rahmen eines Bio-Kompostprojekts in Tibet oder - diese Ausschreibung läuft noch - in einer Tropenstation in Costa Rica abgeleistet werden. Eine weitere Alternative zum Inlandszivildienst ist der Gedenkdienst im Ausland: Ob im Nationalmuseum in Ljubljana, im Jüdischen Museum in Sydney oder der weltweit bedeutendsten Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem: Derzeit stehen rund 50 Einsatzstellen zur Auswahl.

Der Wiener Student Philipp Poyntner hat seinen Gedenkdienst in Buenos Aires geleistet: Mehr als ein Jahr hat er direkt nach der Matura in einem jüdischen Altersheim in der argentinischen Hauptstadt gearbeitet. Dort traf er auf viele Zeitzeugen, etwa las er immer wieder einer Wienerin aus "Der Mann ohne Eigenschaften" vor. Die Frau war vor den Nazis erst nach Serbien, dann nach Argentinien geflohen. Wie 40.000 andere Juden war sie zwischen 1933 und 1941 ins argentinische Exil ausgewandert. "Es war eine sehr spannende Zeit, aus der ich viel mitgenommen habe", erzählt Poyntner heute rückblickend. Auch den Entschluss zum Studium der Volkswirtschaftslehre fasste er in Buenos Aires, inzwischen stellt er seine Magisterarbeit fertig.

Wie im Inland erhalten Zivildiener im Ausland eine Aufwandsentschädigung, allerdings ist diese höher, da auch Flug und Unterhalt abdeckt werden soll. Die exakte Höhe orientiert sich an den Lebenskosten in dem jeweiligen Zielland. "Oft geht es sich trotzdem nicht aus, ohne dass die Eltern Geld zuschießen oder sie auf Angespartes zurückgreifen müssen. Wir weisen die Bewerber auf diese finanzielle Komponente aber vorher hin", sagt Isabella Riedl, Geschäftsführerin des Vereins Gedenkdienst.

"Seit drei Jahren keine Frau"

Jedes Jahr leisten 110 junge Menschen den Sozial- oder Gedenkdienst im Ausland, die Anzahl der Bewerber ist um ein Vielfaches höher. Prinzipiell besteht auch für Frauen die Möglichkeit, den Gedenkdienst auszuüben - allerdings nur, wenn sie die Kosten dafür selbst tragen, da für sie keine Wehrpflicht besteht. "Wir haben seit circa drei Jahren keine Frau mehr entsandt", so Riedl. Vor einigen Jahren gab es einen privaten Fonds, der die Kosten für Gedenkdienerinnen übernahm, doch dieser war nur als Provisorium gedacht.

Als Pendant zum Sozialdienst gibt es für Frauen das Freiwillige Soziale Jahr. Dies wird zu 90 Prozent von Frauen verrichtet, berichtet Margarethe Hangler vom Verein zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste. "Für Frauen gibt es vergleichsweise wenig Möglichkeiten", sagt Andreas Maislinger, Vorsitzender des Vereins Österreichischer Auslandsdienst. Er hat 1992 den österreichischen Gedenkdienst gegründet. Elf Jahre zuvor hatte der aus Innsbruck stammende Politologe seinen "Zivildienst in Auschwitz" 1980 in der ORF-Sendung "Kreuzverhör" vorgestellt. Der damalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hatte das Konzept vorerst mit der Begründung "ein Österreicher hat in Auschwitz nichts zu sühnen" abgelehnt.

"Oft melden sich Besucher bei uns, denen auffällt, dass in den Holocaustarchiven vor allem junge Männer arbeiten", so Jörg Reitmaier vom Österreichischen Auslandsdienst. Das liege aber nicht am fehlenden Interesse von Frauen, so Reitmaier: "Seit der Wehrdienst in Deutschland ausgesetzt ist, sind zwei Drittel der dortigen Gedenkdiener Frauen. Und auch wir bekommen regelmäßig Anfragen von Frauen."

Maislinger wünscht sich prinzipiell mehr Diversität bei den Auslandsdiensten, das würde auch zur Verständigung in der Gesellschaft beitragen: "Der Diskurs läuft immer über Abgrenzung. Klar, es gibt Probleme mit Migration. Aber der Auslandsdienst bietet etwa jungen Serben die Möglichkeit, sich einzubringen." Zudem kann beim Österreichischen Auslandsdienst das Jahr gesplittet werden: Ein junger Gedenkdiener mit türkischen Wurzeln hat jüngst ein halbes Jahr in Istanbul und ein halbes Jahr in Thessaloniki verbracht. "Wir wollen Brücken schlagen", sagt Maislinger und weist darauf hin, dass Auslandsdiener mit Expertise zurück kehren: "Wir brauchen junge Menschen, die Erfahrungen in Kiew oder Moskau gesammelt haben. Auch wenn ich nachher in einer Bank arbeite, hilft es zu wissen, wie Russland tickt."

Beim Österreichischen Auslandsdienst dauert der Bewerbungsprozess drei bis sechs Monate; Anwärter werden auf der Suche nach einer Stelle begleitet: "Führungen im Museum oder Arbeit im Archiv: Die Arbeiten sind sehr unterschiedlich und die Leute sollen das machen, was das Richtige für sie ist."

Lieber erst mit Studium

Vermittelt werden lieber Menschen, die nicht direkt aus der Schule kommen: "Mit einem Studienabschluss kann man mehr tun, und man wird ernster genommen", so Maislinger, und: "Es haben auch schon Mediziner Gedenkdienst gemacht". Friedensdienst kann derzeit in Hiroshima und in China geleistet werden, Chinesisch- beziehungsweise Japanischkenntnisse sind allerdings Voraussetzung, weshalb diese Stellen nicht immer besetzt werden. Eine neue Stelle ist für Zypern geplant: An der Grenze zwischen Türken und Griechen sollen junge Österreicher zur Völkerverständigung beitragen.

Der Gedenkdienst ist ein Wehrersatzdienst. Mindestens zwölf Monate wird der Dienst im Ausland geleistet, meist in Holocaust-Gedenkstätten. Die drei Trägerorganisationen "Verein Gedenkdienst", "Verein Österreichischer Auslandsdienst" und "Verein Niemals Vergessen" bieten ein weltweit einzigartiges Netzwerk für Holocaust-Gedenkstätten und Museen, die Mithilfe in ihren Archiven, Bibliotheken in Anspruch nehmen wollen.

Der Österreichische Auslandsdienst ist der einzige Verein, der neben Gedenkdienst auch Sozial- und Friedensdienst anbietet. Bewerbungen sind laufend möglich.