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Mansplaining zum "Women’s March"

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Ist Identitätspolitik schuld am Populismus?


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Wissen Sie, was "mansplaining" ist? Das ist, wenn Männer sich berufen fühlen, Frauen das zu erklären, was diese längst wissen. Oder tun. Etwa beim "Women’s March" gegen Trump. Da hat David Brooks in einem Kommentar in der "New York Times" ein Paradebeispiel geliefert.

Brooks erklärte den Frauen, die immerhin über eine halbe Million Menschen in Washington und 2,5 Millionen weltweit auf die Straße gebracht haben: Der Women’s March sei die "falsche Antwort" gewesen. Die falsche Antwort auf Trump. Ihre Forderungen, etwa gleicher Lohn, wären nur "Identitätspolitik", also Luxusprobleme der upper-middle-class. Aber dies sei 2017 und da wäre Identitätspolitik "too small", zu klein, zu gering, zu unbedeutend für den Moment.

Ich erwähne das nicht nur als Beispiel für Mansplaining, sondern auch, weil hier an neuralgischer Stelle ein Argument reproduziert wird, das sich derzeit rasant verbreitet: der Vorwurf, Identitätspolitik - also jene Politik, die sich an der eigenen Identität (etwa der Frauen oder der Homosexuellen) orientiert - sei an allem schuld. Identitätspolitik sei, wie man von New York bis Frankfurt lesen kann, schuld am Wahlsieg Trumps, schuld am Populismus überhaupt. Identitätspolitik-Bashing erfreut sich allseitiger Beliebtheit. Den Liberalen ist diese zu wenig liberal (zu viele Gruppen, zu wenig Individuum). Den Linken ist diese zu wenig links (zu viel Individuum, zu wenig Gruppe, Klasse). Den Rechten ist sie überhaupt zuwider (zu viele Benachteiligte, ob in Gruppen oder einzeln).

Der Vorwurf nun, Identitätspolitik sei schuld am Aufstieg des Populismus, bedeutet nicht nur deren völlige Überschätzung. Er beruht auch auf einem großen Missverständnis. Brooks etwa meint, die richtige Antwort wäre ein moderner, pluraler Patriotismus gewesen. Nur ein solcher, nur eine Besinnung auf das Allgemeinwohl würde, im Unterschied zum Separatismus der Luxussorgen, breite Schichten umfassen. Das ist nicht nur ein grundlegendes, sondern auch ein doppeltes Missverständnis.

Zum einen, weil gerade der "Women’s March" in seiner Berufung auf Frauen- und Menschenrechte genau das Gegenteil von separatistisch war. "Die" Frauen sind ja kein monolithischer Block. "Frau" wurde hier vielmehr zu einer Bezeichnung, unter der sich die unterschiedlichsten Frauen - und Männer versammelten. "Women" wurde zum Label für genau jene Breite, wo die Unterschiede der Beteiligten, ob religiös, ethnisch, säkular, bestehen blieben - und sie dennoch vereint marschieren konnten. Ein bisschen wie bei der Van-der-Bellen-Wahlkampagne.

Zum anderen aber ist es an der Zeit, die verbreitete Vorstellung des common good in Frage zu stellen. Diese Vorstellung des Allgemeinwohls, dem wir uns alle, so verschieden wir auch sein mögen, verpflichtet fühlen sollen. Das Gemeinsame, das eine pluralisierte Gesellschaft verbindet, ist kein "Wertereservoir", wie Helmut Dubiel es genannt hat. Es ist kein ein für alle Mal fixierter Bestand, der von einer politischen Elite kontrolliert wird. Das common good ist vielmehr eines, das sich in der gemeinsamen gesellschaftlichen Auseinandersetzung - etwa im gemeinsamen Engagement - jeweils erst herstellt.