Was die Jobs von morgen sind, darüber geben Zukunftsforscher gern Auskunft. Doch darf man einer Zunft trauen, deren wohlmeinende Vertreter uns bis heute Unterwasserkolonien, Privatsatelliten und Haushaltsroboter versprachen? Oder an schlechten Tagen Waldsterben, Seuchenplagen und atomares Armageddon - weshalb es die Menschheit längst nicht mehr geben dürfte? Vielleicht wird man ja am besten selbst Zukunftsforscher. Die sind nämlich auch morgen noch gefragt.
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Wie man das wird? Laut Matthias Horx, Galionsfigur der Zunft, sei das wie in jeder anderen Branche: "Indem man einfach behauptet, dass man es ist." So universell das Gewerbe, so vielfältig wären die Zugänge - von der Sozialwissenschaft bis zum Management. Die Kassen klingeln freilich erst an einem entscheidenden Punkt: "Wenn Sie den richtigen Tonfall treffen - und die Themen der Zeit angehen". Was Horx zweifelsohne gelingt. Mit Phrasen - oder je nach Sichtweise: Binsenweisheiten - wie etwa jener von der "neuen Ernsthaftigkeit", als Parole nach dem 11. September ausgegeben. Da stehen sich die Medienvertreter beim Düsseldorfer Ex-Soziologen die Beine in den Bauch. Und seine zwei Institute in Deutschland und Österreich kommen den Aufträgen "nicht hinterher".
Aber auch Kritik hagelt es beständig - mitunter von ehemaligen Fachkollegen: "Als 'Megatrends' prophezeit Horx das, was er in der Zeitung liest", meint der Wiener Soziologe Rudolf Richter - und der will schon einige Studien des Trendsetters gelesen haben. Mit methodischen Qualitätsstandards würde man darin eher lax umgehen. Aber das sei die Lebensgrundlage der Branche - "simple Auswertungen großzügig zu interpretieren".
Unsinn, schäumt Horx, der der Soziologie im gleichen Atemzug Komplettversagen attestiert: "Die produzieren doch nur Fußnoten." Er sei Vertreter einer "feuilletonistischen Soziologie", die dennoch profunde Ergebnisse liefere.
Dass die Zukunftsforschung sehr wohl reüssiert, ist auch andernorts zu hören. Da arbeitet man in der Robert Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen etwa mittels Szenarientechnik engagiert an einer besseren Welt. Eine Methode, die im ZTB Zukunftsbüro für Wirtschaftsaufträge nutzt wird: "Will etwa eine Firma mehr über das ideale Auto im Jahr 2020 erfahren, skizzieren wir verschiedene Schauplätze", so ZTB-Gründer Andreas Reiter. Wahrscheinliche Szenarien wären aber auf rund sieben Jahre begrenzt. Den "Sex-Appeal" seiner Branche erklärt er mit einer "anthropologischen Grundkonstante": Der Mensch wolle in die Vergangenheit wie in die Zukunft blicken, es dürste ihn nach Übersicht. "Und wir schlagen eine Orientierungsschneise in den Dschungel." Laut Richter jedoch mit einer "sozial akzeptierten Version des modernen Märchens": "Wie jede Mär haben die Aussagen einen wahren Kern, mit komplexen Analysen sollten sie aber nicht verwechselt werden. Es ist eben ein Geschäft."