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Marek-Abgang stürzt ÖVP ins Chaos

Von Christian Mayr

Politik

Innerparteiliche Differenzen schuld am Rücktritt, sagt die ÖVP-Wien-Obfrau. | Aichinger wird Klubobmann.


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Wien. In der Wiener ÖVP geht es - rund ein Jahr nach der historischen Schlappe bei der Gemeinderatswahl - drunter und drüber. Nachdem zunächst Stadtrat Wolfgang Gerstl entgegen seiner eigenen Ankündigung doch das Mandat von Wolfgang Schüssel im Nationalrat angenommen hat, folgte ihm am Freitag auch seine Partei-Chefin nach: ÖVP-Wien-Obfrau und Klubchefin Christine Marek erklärte völlig überraschend ihren Rücktritt von allen Funktionen - und kündigte an, das Mandat von Maria Rauch-Kallat im Nationalrat zu übernehmen.

In knapp acht Minuten war der Spuk vorbei: Die merklich angespannte Ex-Familienstaatssekretärin las ihr Statement trocken vom Blatt und verweigerte den verdutzten Medienvertretern anschließend weitere Fragen. In ihrer Erklärung präsentierte sich die 43-Jährige als Opfer der Parteifunktionäre und ließ dabei jegliche Selbstkritik vermissen: So habe sie die Partei "nicht in der dafür notwendigen Geschlossenheit" hinter sich gehabt, um ihr Programm zu realisieren - nämlich die Wiener ÖVP zu einer "urban-liberalen, bürgerlichen Kraft zu machen". Um erfolgreich Wahlen zu schlagen (spätestens 2013 ist die nächste Nationalratswahl), wäre Geschlossenheit und Einigkeit notwendig, so Marek.

Schließlich warf sie - ohne Namen zu nennen - Parteikollegen "Einzelinteressen" vor: "Insbesondere die regelmäßigen Angriffe auf mich aus den eigenen Reihen schwächen die Partei als Gesamtes. Für mich ist immer das Wohl der Partei im Vordergrund gestanden und deshalb nehme ich mich - zum Wohl der Partei - aus der Schusslinie und mache den Weg frei für einen Neuanfang."

Am Ende gab Marek der Hoffnung Ausdruck, dass sich die konstruktiven Kräfte durchsetzen, und verwies auf die von ihr gesetzten "positiven Schritte": "Ich übergebe etwas, auf dem aufgebaut werden kann."

Aichinger interimistisch?

Über die Nachfolge der ÖVP-Spitze wurde Freitagabend im rund 60-köpfigen Landesparteivorstand diskutiert. Erwartet wird, dass zumindest der neue Parteiobmann (oder die neue Obfrau) von ÖVP-Chef Michael Spindelegger maßgeblich ausgesucht wird; so wie es 2009 schon Josef Pröll bei Marek gemacht hat, die ja erst auf sanften Druck hin nach Wien gegangen ist. Inoffiziell wird eine Einflussnahme der Bundespartei auch bestätigt, offiziell erklärte Spindelegger, dass er "eine ordentliche und amikale Übergabe" erwarte.

Kandidaten für die Obmannschaft kursierten bereits mehrere, unter ihnen Sebastian Kurz. Der Chef der Jungen ÖVP und Integrationsstaatssekretär, ließ aber bereits abwinken. Er gilt derzeit jedoch als heißer Anwärter für den Spitzenkandidaten bei der Nationalratswahl 2013 und/oder Gemeinderatswahl 2015.

Wie der Landesparteivorstand nach dreistündiger Sitzung am Abend beschloss, wird Gabriele Tamandl die Partei interimistisch leiten und in den kommenden Wochen bei der Suche nach einem endgültigen Marek-Nachfolger helfen. Klubobmann im Gemeinderat wird Wirtschaftssprecher Fritz Aichinger - er war einer von fünf aktuellen Marek-Stellvertretern. Zum Gerstl-Nachfolger für den Stadtrat-Posten wurde Manfred Juraczka, Bezirksparteiobmann in Hernals, bestellt. Im Gespräch war ursprünglich auch Ex-Stadträtin Isabella Leeb.

Dass alles relativ glatt lief, kam für viele eher überraschend: So haben sich im Vorfeld bereits die Bezirke - angeführt von Döblings Bezirkskaiser Adi Tiller - gegen überstürzte Postenbesetzungen quergelegt: "Wir sind der Meinung, dass man nichts übers Knie brechen darf und sich dafür etwas Zeit nimmt." Schließlich sei man in den Bezirken den Bürgern und Mitarbeitern verpflichtet: "Mit denen wollen wir zuerst reden", erklärt Tiller im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Er wirft Marek keine Steine nach, sondern spricht von einer Chance zum Neuanfang: "Wir stehen an einer Wende. Wir müssen uns jetzt formieren und klaren Kopf behalten."

Auch der Wiener Nationalrat Ferdinand Maier, der sich 2009 noch als Obmann angeboten hat, hofft auf eine inhaltliche Neupositionierung. Er selbst will allerdings nicht mehr an die Parteispitze. Wer könnte es machen? "Derzeit ist allgemeine Ratlosigkeit ausgebrochen." Er hofft auf eine junge, urbane Frau - befürchtet aber, "dass der übliche Funktionärstross nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner ringt, der für den Wähler nicht akzeptabel sein wird".

Busek verteidigt Marek

Ins selbe Horn stößt Ex-Obmann Erhard Busek, der den Einfluss der "altgedienten Mittelbänkler, mit denen nichts zu gewinnen ist", befürchtet. "Die Partei liegt darnieder. Es ist jetzt Aufgabe des Bundes, sie neu aufzubauen, mit neuen Leuten und einem längerfristigen Konzept." Busek, der sich vor zwei Jahren Marek nach Wien gewünscht hat, verteidigt nun ihre Flucht in den Bund, schließlich sei sie eine "brauchbare Familienpolitikerin". Anders urteilt er über Gerstl: Statt sich den Grünen beim Verkehr zu widmen, gebe er nun vorzeitig auf.