Das AMS NÖ setzt die Idee einer Jobgarantie in einem Projekt um - die Unis Oxford und Wien forschen dazu.
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Gramatneusiedl steht für eine wegweisende Arbeit der empirischen Sozialforschung. Nach der Schließung der Textilfabrik in den 1930ern war die Auswirkung der Arbeitslosigkeit auf die Bewohnerinnen und Bewohner der Werksiedlung untersucht worden. Eine wesentliche Erkenntnis war die Resignation der "Arbeitslosen von Marienthal", die der damals gängigen Vorstellung von der revolutionären Energie arbeitsloser Menschen widersprach.
Die Gemeinde in Niederösterreich steht nun wieder im Fokus einer Initiative, die diesmal vom Arbeitsmarktservice Niederösterreich ausgeht und wissenschaftlich von der Universität Oxford und der Universität Wien volkswirtschaftlich und soziologisch begleitet wird. Es handelt sich in gewisser Weise um "Marienthal reversed". Das AMS will die Idee, man könnte auch sagen: die Utopie einer Arbeitsplatzgarantie im Rahmen eines dreijährigen Projekts in die Realität umsetzen.
Während in der Marienthal-Studie die vielfältigen negativen Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit dargelegt wurden, sollen diesmal die Effekte einer Arbeitsvermittlung umfassend untersucht werden. Zwar gibt es weltweit bereits einige wissenschaftliche Versuche zum bedingungslosen Grundeinkommen, nicht aber für eine Jobgarantie. "Es gibt keinen Beleg darüber, wie sich ein Recht auf Arbeit auswirkt", sagt Lukas Lehner von der Uni Oxford.
Jobgarantie nur mit staatlich finanzierten Jobs
Ein solches Recht auf Arbeit ist nur dann zu gewährleisten, wenn es Alternativen gibt, wenn keine Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt möglich ist. Dem AMS NÖ stehen im Rahmen dieses Projekts so gut wie alle Werkzeuge zur Verfügung, inklusive einer Lohnkostenförderung von bis zu 100 Prozent für Unternehmen oder die Schaffung von gemeinnützigen Jobs.
Das Budget für die gesamten drei Jahre liegt bei 7,4 Millionen Euro, wobei Sven Hergovich, Geschäftsführer des AMS NÖ, mit Kosten pro Projektteilnehmer von etwa 29.800 pro Jahr rechnet. "Die Kosten für ein Jahr Arbeitslosigkeit liegen bei rund 30.000 Euro pro Jahr", sagt Hergovich. Ob der von ihm kalkulierte Betrag erreicht werden kann oder doch deutlich übertroffen wird, ist spannend und für politische Entscheider in Zukunft relevant. "Es ist vorerst nur eine Hypothese", sagt Hergovich.
Diese wird nun auf den Prüfstand gestellt, ebenso wie die Frage, ob die Menschen die angebotene Arbeit auch annehmen und längerfristig behalten. Wie Lehner sagt, wird auch zu prüfen sein, ob es durch die Schaffung staatlicher finanzierter Jobs zu Verdrängungseffekten kommt.
Zwei Kontrollgruppenwerden gebildet
Das AMS rechnet mit rund 150 Teilnehmern, wobei diese in zwei Gruppen mit Zeitverzögerung ins Projekt einsteigen, um eine Vergleichsgruppe zu generieren. Zudem werden die Forscher einen zweiten, statistischen Ansatz wählen und eine künstliche Kontrollgruppe aus einzelnen Langzeitarbeitslosen anderer niederösterreichischer Gemeinden zusammenstellen, die die Teilnehmer aus Gramatneusiedl spiegeln.
Bei dem Projekt namens "Magma" sollen auch Zwischenergebnisse publiziert werden, wie Hergovich ankündigte. Die Rückmeldungen der ersten Teilnehmer seien jedenfalls positiv gewesen.