Analyse: Während Jean-Marie Le Pen die Rolle des Störenfrieds genügte, will seine Tochter mehr. Deshalb hat sie den Front National umgekrempelt.
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Paris. Einen Eklat wie am 1. Mai 2015 will die Führungsriege des Front National (FN) künftig vermeiden. Bei der traditionellen Veranstaltung der französischen Rechtsextremen vor der Statue der Nationalheldin Jeanne d’Arc in Paris erklomm der damalige FN-Ehrenpräsident Jean-Marie Le Pen überraschend im knallroten Regenmantel die Bühne und ließ sich von Anhängern bejubeln. Daneben wartete seine Tochter, Parteichefin Marine Le Pen, um ihre Rede zu beginnen - mit versteinerter Miene. Kurz zuvor war es zum Bruch mit dem Partei-Patriarchen gekommen, der die Gaskammern der Nazis erneut als "Detail der Geschichte" bezeichnet hatte, obwohl ihm diese Äußerung wiederholt Verurteilungen eingebracht hat. Der Auftritt am Maifeiertag war die eine Provokation zu viel - die Partei schloss den 87-Jährigen aus.
Nun hat FN-Vize Florian Philippot angekündigt, der Aufmarsch am 1. Mai werde durch ein "großes nationales Bankett" ersetzt. Als offiziellen Grund nannte er die Anschlagsgefahr durch islamistische Terroristen. Le Pen senior schimpfte, es handle sich um einen "erheblichen Bruch mit der Linie des FN". Genau das war auch beabsichtigt.
Längst ist die Partei in der Hand seiner jüngsten Tochter. Seit Marine Le Pen Anfang 2011 den Vorsitz übernahm, hat der FN Frankreichs Zwei-Parteien-System durchbrochen und serienweise Wahlerfolge erzielt. Schnitten früher viele Medien den Polemiker Jean-Marie Le Pen, so werden seine schlagfertige Tochter oder seine Enkelin, die 26-jährige Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen, heute selbstverständlich in Talkshows oder Radiosendungen eingeladen.
Das illustriert, dass Marine Le Pens Strategie der "Entdämonisierung" aufgegangen ist. Sie verbot das Tragen von Nazi-Symbolen bei Parteiveranstaltungen. FN-Kandidaten, die sich offen rassistisch äußern, droht der Ausschluss. Die Sprache ist glatter geworden, doch an der Spaltpilz-Ideologie hat sich wenig geändert - von der Stimmungsmache gegen Muslime über die Forderung nach einem Immigrationsstopp bis zu jener nach dem Austritt aus der Euro-Zone.
Dem FN nützt die verdrossene Stimmung im Land
Dabei gibt es einen großen Unterschied zwischen Vater und Tochter: die Ambition. Während Le Pen senior die Rolle als ewiger Störenfried genügte, will die 47-Jährige erklärtermaßen an die Macht und bei den Präsidentschaftswahlen 2017 zumindest die Stichrunde erreichen. Deshalb treibt sie die regionale Verankerung der Partei voran, die längst über traditionelle Hochburgen wie den wirtschaftsschwachen Norden hinaus neue Gebiete wie die Bretagne erobert hat. Da es noch an Personal auf allen Ebenen fehlt, ergibt sich für den Nachwuchs die Chance, rasch aufzusteigen.
Viele Bürger überzeugt Le Pen mit ihrer scharfen Kritik an den anderen Parteien als einer elitären Kaste, die "das Volk" vergisst. Zwar bietet sie nur Schein-Lösungen an und wettert gegen das "System", während dem FN eigene Korruptionsskandale anhängen. Aber viele Franzosen sind heute so verdrossen von den etablierten Parteien, dass ihnen der FN als echte Alternative erscheint.