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Mario Draghi - alles super oder was?

Von Stefan Schneider

Gastkommentare

Die Periode negativer Zinsen dürfte noch mehrere Jahre andauern.


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Während die Meinungen über seine Vorgänger auf dem EZB-Chefsessel bestenfalls in der B-Note differierten, scheiden sich bei der Beurteilung von Mario Draghi die Geister. Für die einen ist er "Super Mario", der, wenn auch nicht die Welt, doch immerhin den Euro gerettet hat. Für die anderen hat er eine Politik betrieben, die klar außerhalb des eigentlichen Mandats der EZB liegt. Dies gilt nach Ansicht seiner Kritiker schon für Draghis "Whatever it takes"-Ankündigung. Hat eine Institution von nicht gewählten Technokraten die Legitimation, den Euro - ein politisches Projekt - nach der Devise "Der Zweck heiligt die Mittel" zu verteidigen und damit nebenbei der Politik die Möglichkeit zu verschaffen, weitgehend in Untätigkeit zu verharren? Zum Start von Quantitative Easing 2.0 in diesem November hält die EZB rund 2,6 Billionen Euro an Wertpapieren. Ihr Besitz an ausstehenden Staatsanleihen (PSPP) liegt je nach Land zwischen 15 und 30 Prozent der jeweiligen Staatsschulden.

Damit hat sich die EZB in eine Position manövriert, in der sie fiskalisch dominiert wird. Der Freiheitsgrad ihrer Geldpolitik wird durch zu erwartende negative Effekte auf die Stabilität der Staatsfinanzen und des Finanzsystems beschnitten. Natürlich gehört der Ankauf von Staatsanleihen schon lange zum Instrumentenkasten von Zentralbanken. Aber wenn ohne die Intervention der EZB private Investoren wohl beispielsweise keine italienischen Staatstitel mehr gekauft hätten, stellt sich schon die Frage, inwieweit es sich hier de facto nicht um monetäre Staatsfinanzierung gehandelt hat.

Die Rolle der EZB als Käufer der letzten Instanz an den Finanzmärkten dürfte auch ein wichtiger Faktor dafür sein, dass in der Eurozone mittlerweile knapp zwei Drittel der ausstehenden Staatsanleihen eine negative Rendite aufweisen. Hier dürfte die von der EZB angeführte, durch die Babyboomer verursachte Ersparnisschwemme bestenfalls ein Teil der Erklärung sein. Zumal die EZB im September angekündigt hat, ihre Zinsen, bei denen der negative Einlagenzins de facto die Rolle des Leitzinses eingenommen hat, solange auf dem aktuellen (oder einem niedrigeren) Niveau zu belassen, bis sie in ihrem Inflationsausblick eine nachhaltige Konvergenz der Inflationsentwicklung hin zu ihrem Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent erwartet. Gleichzeitig hat sie ihre Prognose für die Kerninflation für 2021 auf 1,6 Prozent gesenkt. Mit anderen Worten: Die Periode negativer Zinsen dürfte noch mehrere Jahre andauern. Dieser Aspekt ist wohl eine Kernfrage, mit der sich die EZB in ihrer anstehenden Strategiediskussion beschäftigen sollte.

Das "Whatever it takes" und die damit verbundenen Maßnahmen dürften vor dem Hintergrund befürchteter Wohlfahrtsverluste der Bevölkerung der Eurozone - und dies sollte der ultimative Maßstab für politisches Handeln sein - gerechtfertigt gewesen sein. Dies gilt allerdings nicht für eine Geldpolitik, die in Sisyphus-Manier ohne Rücksicht auf die immer offensichtlicheren Nebenwirkungen versucht, die Inflationsrate in die Nähe von 2 Prozent zu hieven, ohne den Bürgern erklären zu können, wieso eine Inflationsrate von rund 1 Prozent ihre Wohlfahrt gefährden sollte.