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Marketing als Willkommenskultur

Von Stephan Hofer

Wirtschaft

Richtige Kommunikation in Wort und Bild ist entscheidend für den Erfolg.


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Wien. Fast 1,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Österreich, das entspricht 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dies ist ein Markt, den heute keine Branche mehr ignorieren kann. Bei der Kommunikation mit diesen neuen Kundenschichten ergeben sich aber nicht nur Chancen, sondern auch Stolpersteine. Die Fachgruppe der Sprachdienstleister der Wirtschaftskammer Wien (WKW) widmet sich deshalb allen Facetten des Themas Ethnomarketing.

"Bisher waren Übersetzungen und Dolmetsch vor allem im Export wichtig", so die Fachgruppenvorsitzende der WKW, Sabine Kern, bei einer Podiumsdiskussion. Nur langsam wächst das Bewusstsein, dass es auch in Österreich einen interkulturellen Markt gibt. Das bestätigt Georg Kraft-Kinz, Generaldirektor-Stellvertreter der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien: "Wir sind eine Abwertungsrepublik. Migranten werden als sozial und wirtschaftlich schwach wahrgenommen." Dabei würden Erfahrung das Gegenteil zeigen: "Migranten schätzen Unabhängigkeit und sind darum oft selbständig." Die Finanzindustrie war deshalb eine der ersten Branchen, die interkulturelles oder Ethnomarketing für sich entdeckt hat.

Und weitere Wirtschaftszweige werden folgen, wie Manuel Bräuhofer, Executive Manager von Brainworker Community Marketing, weiß: "Besonders die Lebensmittelindustrie interessiert sich für den migrantischen Markt und seine kulturspezifischen Bedürfnisse." Großen Bedarf sieht Bräuhofer auch im öffentlichen Dienst.

Ein häufiges Gegenargument ist, dass es das Erlernen der deutschen Sprache verhindert, wenn man Kunden in deren eigener Muttersprache begegnet: "Das ist ein Missverständnis", sagt Sabine Kern. "Gerade weil die Leute sehr wohl Deutsch können, ist es ein starkes Zeichen."

Den Kunden abholen

Kraft-Kinz nennt dies "Willkommenskultur". Es gehe darum, Wertschätzung auszudrücken und den Kunden "auf halbem Wege abzuholen". Damit diese Geste nicht zur Blamage wird, gilt es jedoch, einige wichtige Punkte zu beachten.

"Übersetzungen sollten nicht intern, sondern von spezialisierten Dienstleistern erstellt werden", meint Kern. Die Internet-Seite der WKW-Fachgruppe (www.sprachdienstleister.net) bietet hierfür ein ausführliches Verzeichnis. Kern empfiehlt, besonders auf das Zertifikat EN 15038 zu achten. Dies besagt, dass Übersetzungen von einem zweiten Übersetzer überprüft werden. Ebenso wichtig sei der richtige Umgang mit Bildsprache und Symbolik. Bräuhofer bestätigt dies: "Unternehmen sollten auf jeden Fall zusätzlich auch einen eigenen Experten haben, der mit den kulturellen Kontexten vertraut ist und die Wirkung richtig einschätzen kann."

Ethnomarketing besteht wie jede Art von Marketing aus vier grundlegenden Schritten, sagt Bräuhofer: Zuerst müsse eine Analyse der Zielgruppe und ihrer Eigenheiten durchgeführt werden, dann werde ein Gesamtkonzept erstellt. Im Anschluss gehe es im Ethnomarketing vor allem um den persönlichen Kontakt zur Zielgruppe. Wichtig ist hier das Aufbauen von interkultureller Kompetenz in Form von Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter. Erst im vierten Schritt sollte dann die Marktkommunikation, also eine Werbekampagne folgen. "Viele Unternehmen gehen leider nach wie vor genau den umgekehrten Weg und umwerben Kunden, ohne zu wissen wie", beklagt Bräuhofer. Dies kann erhebliche Folgen haben, denn in vielen Kulturen ist die persönliche Weiterempfehlung innerhalb der Gemeinschaft sehr wichtig. Negative Erfahrungen von Kunden werden genauso weitergegeben und können das Image eines Unternehmens stark schädigen.