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Markt frei für Elektromobile

Von WZ-Korrespondentin Sybille Oetliker

Wirtschaft
Die Steckdose ersetzt den Benzintank. Foto: project better place

Israel ist idealer Testmarkt für das Auto der Zukunft. | Bezahlt wird nach Kilometern. | Tel Aviv. Dafna Berezovski Agassi kommt ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Fahrt im Prototypen des Elektro-Autos, das Renault hergestellt hat, erzählt. "Einfach großartig" sei das Gefühl, erzählt die Israelin. "Der Wagen fährt unglaublich leise und schnell. Es funktioniert alles wie in einem herkömmlichen Wagen und doch ist alles so anders", sagt die Marketing-Verantwortliche von "better place".


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Israel wird zum ersten großen Testmarkt für den Elektrowagen der Zukunft. Möglich gemacht hat das Experiment der erfolgreiche amerikanisch-israelische Geschäftsmann Shai Agassi. Einst Top-Kader-Mitglied des deutschen Software-Giganten SAP, gründete Agassi später in Kalifornien seine eigene Firma, das Risikokapitalunternehmen "better place", welches den Elektrowagen fördert. Dabei setzt er auf weitgehend bekannte Technologien.

Mit zwei neuen Ideen aber will Agassi den alten Traum vom sauberen Auto realisieren: Die Elektroautos werden erstens mit austauschbaren Batterien betrieben. Agassi baut zweitens eine Infrastruktur auf, die sowohl das Laden wie das Wechseln der Batterien einfach und schnell ermöglicht. Wie auf dem Markt für Mobiltelefone sollen Auto und Dienstleistung zusammen angeboten werden. Der Kunde wird sein Auto relativ günstig bekommen und dafür entsprechend den verfahrenen Kilometern zur Kasse gebeten.

Agassi fand in Wirtschaft und Politik einflussreiche Unterstützer. 200 Millionen Dollar hat er bei privaten Investoren aufgetrieben. Die Hälfte davon stellte Israel Corporation, die größte Holding im Land, zur Verfügung. Auch Israels Präsident Shimon Peres gehört zu den überzeugten Förderern. Er erreichte, dass die Regierung Steuererleichterungen und andere Anreize für Elektroautos zugesagt hat. Peres war es auch, der den Kontakt zwischen Shai Agassi und dem Autohersteller Renault ermöglichte. Dieser stellt nun in Zusammenarbeit mit Nissan serienmäßig Elektroautos für "better place" her.

Es handelt sich um Mittelklassewagen, deren Äußeres sich nicht von konventionellen Autos abhebt. Einzig sichtbarer Unterschied: Die Wagen haben keinen Auspuff. Wo sonst Benzin eingefüllt wird, ist ein Stecker eingebaut, mit dem die Batterie aufgeladen werden kann. Die Wagen fahren mit einer Leistung, die der eines mit Benzin betriebenen Autos mit einem 1,6 Liter-Motor vergleichbar ist.

Waffe Auto: "Wir trocknen die Ölquellen aus"

"Unser Ziel ist es, die Unabhängigkeit vom Öl zu fördern", sagt Berezovski, die Schwester Shai Agassis. Dass die Ölpreise in den letzten Monaten derart anstiegen, konnten die Macher nicht ahnen. Der Anstieg dürfte aber den Verkauf der Elektrowagen erleichtern. Denn die Firma stellt in Aussicht, dass deren Betriebskosten deutlich günstiger sein werden als für konventionelle Wagen.

Die Abkehr vom Benzin-Motor soll auch das Geschäft der arabischen Öl-Exporteure vermiesen. "Es ist unmöglich, jeden Terroristen mit einer F-16 zu bekämpfen. Nun haben wir eine bessere Waffe: Wir trocknen die Ölquellen aus", erklärt Jonathan Adiri, ein Mitarbeiter von Präsident Peres.

Israel ist ein idealer Testmarkt für die neuen Wagen. Autofahrer legen hier im Durchschnitt weniger als 70 Kilometer pro Tag zurück. Eine Strecke, die sich ohne weiteres mit Elektrofahrzeugen bewältigen lässt. Derzeit reicht eine Batterie für etwa 170 Kilometer. Kommt dazu: Das Land ist klein und wohlhabend. Der Verkehr konzentriert sich auf den Großraum von Tel Aviv und zwei, drei andere Städte. Aufgrund der politischen Situation ist der Markt geschlossen: Autofahrten ins Ausland sind praktisch nicht möglich.

Schon in ein paar Monaten sollen in Israel rund ein dutzend Elektrowagen zu sehen sein und Werbung machen. Serienmäßig verkauft wird das Auto voraussichtlich ab 2011. Ab dann sollen jährlich 20.000 Elektrowagen verkauft werden - rund zehn Prozent aller Neuwagen. Bis dahin sollen zehntausende von Batteriewechsel-Stellen und Auflade-Vorrichtungen im ganzen Land bestehen.