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Markt-Leninismus mit chinesischen Charakteristika

Von Sarah Dyduch

Politik

Mythen um die chinesische Kommunistische Partei.


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Peking. Kommende Woche setzt die chinesische KP in Peking den 18. Parteitag fort, Xi Jinping soll als nächster Präsident, Li Keqiang als nächster Premier präsentiert werden. Wenig ist über die internen Vorgänge in der chinesischen KP bekannt.

Im Westen wird China kaum mehr als kommunistisches, sonder als kapitalistisches Land gesehen. Es kann wohl nicht mehr lange dauern, so die weitläufige westliche Meinung, bis das chinesische Volk aufbegehrt und China zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild wird. Falsch, sagt Journalist und Chinakenner Richard McGregor. Der genaue Kenner der Chinesischen Kommunistischen Partei hat einige Mythen gesammelt.

Leitidee Markt-Leninismus

Obwohl der Kapitalismus die strenge kommunistische Zentralverwaltungswirtschaft verdrängt hat, erkennt man den Kommunismus bei einem kleinen Blick auf die politische Struktur Chinas: Treues Personal, Propaganda und die Volksbefreiungsarmee sind die Werkzeuge, mit denen sich die Kommunistische Partei Chinas die umfassende Kontrolle sichert. Wichtige Personalentscheidungen in Ministerien oder Unternehmen werden von der Partei koordiniert. Den Medien wird genau gesagt, über welche Ereignisse sie wie zu berichten haben - und über welche nicht.

Sollte es doch zu Protesten oder gar einem Aufstand kommen, steht die Volksbefreiungsarmee bereit. Die Truppen seien das Privatmilitär der Partei und nicht die Armee des Volkes, betont McGregor. Chinas Polit-System sei ein Synonym für marktwirtschaftlichen Leninismus.

Mythos totalitärer Staat

Unterschreiben würden das die jungen Chinesen so wohl nicht. Denn während im totalitären System von Mao Zedong (1949 bis 1976) sogar das Heiraten und Umziehen einer Genehmigung von oberer Stelle bedurfte, haben die chinesischen Bürger heute mehr Freiheiten. Der Mythos, dass die Partei jeden Aspekt des Lebens kontrolliere, stimme also nicht, so McGregor. Im Gegenzug dazu sollen sie sich aber aus den Geschäften der Partei heraushalten und diese nicht infrage stellen. Die Chinesen nehmen es hin.

Die Große Feuermauer

Daran konnte auch das Internet nichts ändern. Die "Great Firewall" arbeitet effizient und filtert westliche Ideen oder Anti-Regierungsgedanken aus dem chinesischen Web. Auch ist das Propagandaministerium kreativ, wenn es darum geht, der Partei zu positiven Stimmen im Internet zu verhelfen. So hat jede Ortschaft ihre eigene Internet-Polizei, die Ausschau nach aufrührerischen Ideen hält. Brave Netzbürger, die in Foren Pro-Regierungskommentare posten, bekommen einen kleinen Barbetrag als Belohnung.

Mythos Freiheitsliebe?

Wer glaubt, diese Steuerung der öffentlichen Meinung müsse doch einmal zu einem Umsturz führen, liegt laut McGregor falsch. Auch dies sei ein westlicher Mythos. Denn die chinesische Mittelklasse wünscht sich zwar mehr politische Freiheit, doch sie hat viel zu viel zu verlieren - ein schönes Heim, schnelle Autos und volle Supermarktregale würden sie kaum gegen die vage Vorstellung von Demokratie tauschen.

Ewige Parteiherrschaft?

Nach drei Dekaden mit 10 Prozent Wirtschaftswachstum jährlich und politischer Sicherheit für die Führungsriege mag China wie ein Paradies für so manchen Despoten wirken. Dabei, so McGregor, dürfe man aber nicht vergessen, dass China über enorme personelle Ressourcen verfüge, um gemeinsam mit der weitreichenden chinesischen Bürokratie die vorgegebenen Parteistrukturen bis in die kleinsten Bereiche zu tragen.

Buchtipp

"The Party The Secret World of China’s Communist Rulers" von Richard McGregor, HarperCollins, 18,95 Euro