"Zukunftschance Ökosoziale Marktwirtschaft" stand gestern über einer prominent besetzten Veranstaltung im Wiener Haus der Industrie, bei der Bundespräsident Heinz Fischer einen "ökologischen Imperativ" formulierte.
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Die EU wäre der erwünschte Motor, um den Globalen Marshall-Plan voranzutreiben. Das wurde ständig betont. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Ökosozialen Forum Europa und vom Universitäts-club Klagenfurt, der sein "Friulanisches Manifest" vorstellte. Darin heißt es: "Die heutige Organisation der Weltpolitik und Weltökonomie ist nicht mehr zukunftsfähig."
Der jordanische Prinz El Hassan bin Talal, derzeit Präsident des Club of Rome, erinnerte daran, dass zum Beispiel europäische Wähler in Umweltfragen wesentlich sensibler sind als US-Amerikaner. Die EU-Erweiterung habe den politischen und ökonomischen Wandel in Zentral- und Osteuropa unterstützt. Prinz El Hassan wies auf die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm hin und plädierte für den Ausbau der neuen Nachbarschaftspolitik der EU gegenüber den Mittelmeerländern.
Bundespräsident Heinz Fischer ging auf die Budgetrede von Finanzminister Karl-Heinz Grasser ein, der gemeint hatte, die Globalisierung geschehe, "gleichgültig, ob wir dafür oder dagegen sind". Fischer weigerte sich, einen "historischen Automatismus" zu akzeptieren, der Mensch habe Einfluss auf die Entwicklungen. In Anlehnung an den kategorischen Imperativ des deutschen Philosophen Immanuel Kant forderte Fischer: "Handle so, dass die kommenden Generationen dein Handeln als verantwortungsvoll beurteilen können."
Früher habe der Staat dominiert, die Wirtschaft habe sich angepasst, führte der deutsche Wissenschaftler und Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker aus. Seit dem Zerfall des Kommunismus "regieren die Märkte, und die Demokratie gehorcht". Die Unternehmenssteuern seien ständig gesunken, ohne Steuerbasis sei es eine Illusion, wenn man von den Staaten die Finanzierung des "Global Marshall Plan" erwarte. Der Trend zur Privatisierung, vor allem in den Entwicklungsländern, habe sich oft nicht positiv ausgewirkt.
Ex-Vizekanzler Josef Riegler forderte, dass sich die derzeit unfairen Spielregeln der Weltwirtschaft ändern, sonst steuere die Welt auf einen Kollaps zu. Es gelte vor allem, die Millenniumsziele der UNO und die Kyoto-Ziele zu verwirklichen. Sein Credo: "Es kann keine Zukunft ohne globale Ethik geben." Der "Vater" der Ökosozialen Marktwirtschaft will für dieses Konzept die politischen Akteure gewinnen.
Wie unkoordiniert die derzeitige EU-Entwicklungspolitik ist, erläuterte der schwedische EU-Abgeordnete Anders Wijkman: "Wir geben mit der einen Hand und nehmen mit der anderen." Die EU - die Gemeinschaft und die einzelnen 25 Mitglieder - gebe derzeit pro Jahr 28 Milliarden Euro für Entwicklungsprojekte aus. Wijkman warnte davor, diesen Betrag einfach zu erhöhen: "Mehr vom Selben hilft nichts." Man müsste den Handel - derzeit "wie ein Boxkampf zwischen einem Schwer- und einem Federgewicht" - und die Hilfe auf eine andere Basis stellen, den ärmsten Ländern ihre enormen Schulden erlassen und nicht in Finanz-, sondern in Naturkapital investieren.
Franz Josef Radermacher, Wirtschaftsexperte und Vordenker des "Global Marshall Plan", sieht die EU-Erweiterungsprozesse als Modell künftiger Schritte. Er plädiert für einen EU-Beitritt der Türkei. Die Besteuerung weltweiter Transaktionen scheint ihm vordringlich. Die Chancen auf eine Umsetzung des Marshall-Plans beziffert er mit 35 Prozent. "Der Superorganismus Menschheit muss sich ein Biotop schaffen, wo er gut und in Harmonie leben kann."