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Märkte nehmen Italiens Finanzsystem ins Visier

Von Karl Leban und Stefan Melichar

Wirtschaft

Schuldenkrise Roms könnte zur Bankkrise werden. | EZB sieht keine unmittelbare Gefahr, aber Kapitalbedarf.


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Mailand/Wien. Europaweit geht die Angst vor einer Ansteckung Italiens mit dem Schuldenvirus um. Für das südeuropäische Land trübt sich die Lage am Anleihenmarkt immer mehr ein. Am Dienstag kletterte die Rendite für zehnjährige Staatstitel erstmals seit der Euro-Einführung über die Marke von sechs Prozent. Investoren verlangen aus Sorge um die Finanzstabilität Italiens höhere Zinsen.

An den Börsen ist bereits seit Tagen der Bär los. Auch am Dienstag waren Europas Aktien-Indizes geschlossen auf Talfahrt - mit einem Minus von bis zu zwei Prozent und mehr. Besonders unter Druck - und das schon den dritten Handelstag in Folge - stand jedoch die Börse in Mailand, wo die Kurse zeitweise um durchschnittlich gut vier Prozent in den Keller rasselten. Schuld daran waren vor allem deftige Verluste bei Aktien italienischer Banken wie Intesa Sanpaolo und Unicredit, die auch den übrigen Markt nach unten zogen. Alleine bei Unicredit, Italiens größtem Geldhaus und Mutter der Bank Austria, ist der Kurs binnen weniger Tage trotz mehrfacher Handelsaussetzung mehr als 20 Prozent abgestürzt.

Bankenkrise im Inland?

Was Anleger derzeit aus italienischen Banktiteln flüchten lässt, sind Befürchtungen, dass die Schuldenprobleme Roms schnell zu einer Bankenkrise im Inland werden könnten. Italiens Banken sind wegen ihres starken Engagements bei italienischen Staatsanleihen und der Höhe der öffentlichen Verschuldung vermehrt den Risiken ihres Heimatlandes ausgesetzt.

Unmittelbar bedroht sieht Mario Draghi, der designierte Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), die italienischen Banken allerdings nicht. Der Italiener betonte am Dienstag, sie seien "ausreichend kapitalisiert". Damit deutete er offenbar auch an, dass alle fünf italienischen Großinstitute - Unicredit, Intesa Sanpaolo, Banca Monte dei Paschi di Siena, UBI Banca und Banco Popolare - den heurigen EU-Stresstest bestanden haben. Dessen Ergebnisse sollen am Freitag veröffentlicht werden.

Unter den Ausfallskandidaten sollen sich hingegen sechs spanische Banken befinden, Spanien gilt neben Italien ebenfalls als Sorgenkind. Einige der dortigen Institute leiden noch immer unter den Folgen der geplatzten Immobilienblase.

Draghis Kollege in der EZB, Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi, drängt Italiens Banken trotz allem zu einer weiteren Stärkung der Eigenkapitalbasis. Derzeit sorge es für Unsicherheit, dass die Institute des Landes weniger gut als ihre ausländischen Konkurrenten kapitalisiert sind.

Höhere Kapitalquote

In Italien haben zuletzt bereits mehrere große Banken eine Kapitalerhöhung angekündigt, nicht jedoch Unicredit. Erst kürzlich bekräftigte deren Chef, Federico Ghizzoni, bei einem Wien-Besuch, dass die Bank vorerst kein frisches Kapital brauche. Im ersten Quartal habe die Unicredit-Gruppe die am strengsten definierte Kapitalquote ("Core Tier-1") aus eigener Kraft von 8,5 Prozent (per Ultimo 2010) auf knapp mehr als neun Prozent gesteigert. Im internationalen Vergleich ist das ein herzeigbarer Wert.

In absoluten Zahlen verfügt Unicredit nach eigenen Angaben über rund 60 Milliarden Euro Eigenkapital. Das ist mehr als doppelt so viel wie ihr Börsenwert, der wegen der jüngsten Tiefschläge um drei Milliarden auf 23 Milliarden Euro geschrumpft ist. "Unser aktueller Börsenkurs hat nichts mit der Realität zu tun", so ein Unicredit-Sprecher zur "Wiener Zeitung".

"Die Bank ist gesund"

In der Zentrale in Mailand wird denn auch versichert: "Die Bank ist grundsolide aufgestellt und gesund." So habe die Gruppe während der gesamten Finanzkrise keine Verluste geschrieben. Und man habe auch keine Staatshilfen abrufen müssen - weder in Italien noch für die Bank Austria in Österreich. Zuletzt, in den ersten drei Monaten 2011, erzielte Unicredit einen Netto-Gewinn von 810 Millionen Euro.

Dennoch wird am Markt heftig spekuliert, dass Europas drittgrößte Bank - sie hat bei 1000 Milliarden Euro Bilanzsumme 35 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen in ihren Büchern - ernste Schwierigkeiten bekommen könnte. Für den Fall, dass die Euro-Schuldenkrise auch die beiden großen Nationen Italien und Spanien erfasst, wird befürchtet, dass der Kapitalpolster der Unicredit rasch schrumpfen könnte. Außerdem stehen mit dem Regelwerk "Basel III" wesentlich strengere Kapitalvorschriften vor der Tür. All das, so ist da und dort zu hören, könnte Unicredit in größere Kapitalnot bringen und die Bank sogar zwingen, Familiensilber zu verkaufen - etwa die Ertragsperle Bank Austria (samt dem Osteuropa-Geschäft). Bei Unicredit heißt es dazu nur: "Uns fehlt die Fantasie, dass so etwas passiert."

Was Italien insgesamt anbelangt, wurden am Dienstag die Bemühungen intensiviert, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. So hat sich die Opposition bereiterklärt, für das 47 Milliarden Euro schwere Sparpaket der Regierung von Premier Silvio Berlusconi zu stimmen.

Zumindest kurzfristig zählt übrigens Österreich zu den Gewinnern der Situation: Die Zinsen für heimische Staatsanleihen sind zuletzt deutlich gefallen. Grund dafür ist, dass Investoren Papiere der Problemländer meiden und dafür jene von Staaten mit solideren Finanzen kaufen.