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Märkte verstärken den Druck: Euro-Problemzone wird größer

Von Hermann Sileitsch

Europaarchiv

Portugal beschließt Sparhaushalt für 2011 - Gerüchte über EU-Hilfen. | Märkte beschwören bereits Finanznöte von Belgien herauf. | Brüssel/Wien. Fühlt sich noch jemand an die Geschichte vom Hasen und dem Igel erinnert? Die Regierenden in der Eurozone sind momentan die Getriebenen der Märkte. Kaum verkünden sie "Irland ist gerettet", schon meldet sich das Schreckgespenst einer Pleite aus einem anderen schuldengeplagten Euroland.


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Die Investoren zweifeln an der Zahlungsfähigkeit und verlangen für ihr Risiko höhere Renditen - so auch am Freitag. Das verschärft die Zinslast und die Schuldenprobleme der Staaten. Und gibt den Zweiflern neue Nahrung: ein Teufelskreis. "Staaten, die auf eine externe Finanzierung angewiesen sind, können Probleme bekommen, wenn sich Investoren zurückziehen", sagt Anleihenexpertin Gudrun Egger von der Erste Group zur "Wiener Zeitung". "Das wirkt wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ein Investor wird für höheres Risiko eine höhere Rendite verlangen - völlig legitim."

Ob es nur die Risikoscheu von Anlegern ist oder gezielte Spekulation zu den Problemen der hochverschuldeten Staaten beiträgt, ist kaum zu entscheiden. Die Auswirkungen für Irland, Portugal & Co. sind ohnehin dieselben, der Unterschied ist: Während übervorsichtige Anleger mit Anleiheverkäufen Verluste machen, fahren Spekulanten, die auf fallende Kurse setzen, derzeit Gewinne ein.

Die Märkte sind jedenfalls trotz der Hilfe für Irland hypernervös und tendieren zur Übertreibung: Am Freitag machten erste Meldungen die Runde, dass Belgien - als erstes Euroland abseits der Problemländer an der Peripherie - in Finanznöte kommen könnte. Das Land ist seit Monaten ohne Regierung und hat eine Staatsschuldenquote über 100 Prozent.

Zur Verwirrung trug auch Axel Weber, der Chef der deutschen Bundesbank, mit eigenwilligen Rechenspielen bei. Er hatte eine mögliche Ausweitung des (nominell) bis zu 750 Milliarden Euro schweren Euro-Schutzschirmes angedeutet. Das verunsicherte die Investoren aber nur noch. Es wird immer wahrscheinlicher, dass auch Portugal unter den EU-Hilfsschirm schlüpfen muss.

Vor wenigen Tagen hatte Portugals Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos sieben Prozent Zinsen als kritische Schwelle für die nachhaltige Finanzierung des Staatshaushaltes genannt. Diese Hürde ist nun überschritten.

Zwar dementierte die Regierung in Lissabon die Absicht, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dennoch mehren sich Gerüchte, wonach bei den Telefonkonferenzen der EU-Finanzminister am Wochenende nicht allein die EU-Hilfe samt Auflagen für Irland abgesegnet wird, sondern auch ein Antrag Portugals auf Hilfskredite ein Thema sein könnte. So soll vermieden werden, dass die Probleme auf Spanien überspringen und ein wirkliches EU-Schwergewicht ins Wanken bringen. Spaniens Großbanken gelten als solide, haben aber große Kredite in Portugal vergeben.

Europas Armenhaus spart

Portugals Probleme sind hingegen ein großes Haushaltsdefizit und eine Wirtschaft, die kaum wächst. Die Regierung hat zwar am Freitag alles unternommen, was in seiner Macht steht, um der Schuldenspirale zu entrinnen: Das Parlament in Lissabon hat den umstrittenen Sparhaushalt für 2011 endgültig in zweiter Lesung gebilligt. Die Minderheitsregierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Jose Socrates erhielt dafür nur eine Mehrheit, weil sich die konservative Sozialdemokratische Partei PSD als größte Oppositionsfraktion vereinbarungsgemäß mehrheitlich der Stimme enthielt. Alle anderen Parteien votierten gegen den Haushaltsentwurf.

Die Wachstumssorgen erhalten durch diese Sparpläne freilich neue Nahrung. Das ärmste Land Westeuropas wird die Gehälter im öffentlichen Dienst um 5 Prozent kürzen und die Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent anheben.

Regierungschef Socrates verspricht den Finanzplan "strikt einzuhalten." Dieser soll die Neuverschuldung von 9,4 Prozent der Wirtschaftsleistung 2009 und 7,3 Prozent im laufenden Jahr bis 2011 auf 4,3 Prozent drücken.