Eigenkapitaldecke zuletzt bereits stark ausgedünnt - Quote künftig über 8 Prozent.
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Wien.
Großes Aufatmen bei Austrian Airlines (AUA): Die Deutsche Lufthansa greift ihrer maroden Österreich-Tochter mit frischem Kapital in Höhe von bis zu 140 Millionen Euro unter die Arme. Der Aufsichtsrat der Kranich-Linie gab am Mittwochabend in Frankfurt grünes Licht für die dringend benötigte Geldspritze. An seine Zusage frischer Mittel ist jedoch die Bedingung geknüpft, dass die AUA ihr Sanierungsprogramm, das allein heuer rund 220 Millionen Euro bringen soll, im vollen Umfang aufsetzt. Bisher ist ein besonders wichtiger Teil dieses Pakets noch in der Warteschleife - und zwar die Kostensenkung bei den Piloten und Flugbegleitern.
Der Eigenkapitalpolster der rot-weiß-roten Airline war zuletzt bereits stark geschmälert. Wie sehr, wollte AUA-Chef Jaan Albrecht am Donnerstag in der Bilanz-Pressekonferenz nicht sagen. Eine Sorge ist der frühere Star-Alliance-Boss nun aber jedenfalls los. Denn mit den millionenschweren Zuschüssen der Lufthansa wird die Eigenkapitalquote der AUA wieder über dem gesetzlichen Limit von 8 Prozent liegen. Diese Höhe ist zwar nach wie vor nicht gerade brüllend, laut Albrecht aber "ausreichend".
Ob die AUA nach Jahren hoher Verluste schon heuer in die Gewinnzone fliegen kann, ist unterdessen mehr als unklar. Mit Blick auf die aktuelle Konjunkturflaute und die rasant steigenden Treibstoffpreise will sich Albrecht vorerst auf keine Prognose festlegen. In der Bilanz-Pressekonferenz der Lufthansa hieß es am Donnerstag hingegen, dass die AUA voraussichtlich auch 2012 noch keine schwarzen Zahlen schreiben werde.
Im vergangenen Jahr fiel bei der ehemals teilstaatlichen Fluglinie mit minus 59,4 Millionen Euro ein ähnlicher hoher operativer Verlust wie 2010 an (siehe Grafik rechts oben). Für die AUA war es bereits das vierte Jahr mit tiefroten Zahlen. Schuld daran war unter anderem, dass die Passagierauslastung der Flugzeuge um 3,1 Prozentpunkte auf 73,8 Prozent absackte. AUA-Vorstand Peter Malanik nennt in diesem Zusammenhang gleich mehrere Gründe: den Nachfrageeinbruch bei Flügen in den arabischen Raum (wegen der politisch bedingten Unruhen), den Rückgang bei Langstreckenflügen nach dem Tsunami in Japan und den Überschwemmungen in Bangkok sowie die Verunsicherung der Kunden durch die Staatsschuldenkrise in Europa.
Künftig soll die AUA freilich so aufgestellt sein, dass sie derartige "Widrigkeiten" wegstecken kann, ohne in die Verlustzone zu stürzen. Dafür sind laut Albrecht vor allem auch wettbewerbsfähige Gehaltsstrukturen unerlässlich. Wie berichtet, gibt es mit dem fliegenden Personal noch keine Einigung über einen neuen Kollektivvertrag (KV) mit niedrigeren Gagen, Pensionen und Abfertigungen. Die allerletzte Frist läuft bis Ende März. Sollte es zu keiner Verhandlungslösung kommen, tritt der bereits angedrohte Plan B in Kraft. Dieser sieht vor, das AUA-Bordpersonal zwangsweise in den um 20 bis 25 Prozent billigeren KV der Regionalflugtochter Tyrolean hineinzudrängen.
Jährlich rund 70.000 Flüge
Möglich ist der KV-Wechsel durch eine Übertragung des AUA-Flugbetriebs auf die Tyrolean. Hat die Tyrolean bisher schon die Hälfte aller rund 70.000 jährlichen Flüge abgewickelt, würden es künftig 100 Prozent sein, erklärt Malanik. Als Marke würde die AUA jedoch weiterhin bestehen bleiben. Dies gelte auch für das Streckennetz, die Langstrecke und sämtliche Flugnummern. Malanik: "Für die Kunden ändert sich im Fall eines Betriebsübergangs nichts."
Sollte der Zwangsumstieg auf den Tyrolean-KV Realität werden, hätten die Piloten die Möglichkeit, dem Unternehmen unter Wahrung ihrer Abfertigungsansprüche den Rücken zu kehren. Denn bei einem Betriebsübergang - eine firmenrechtlich hochkomplexe Sache - müsste das Management vor der Überführung in den Tyrolean-KV zunächst Änderungskündigungen aussprechen. Wie viele Piloten erwägen würden, diese "Kündigung" zu akzeptieren, die Abfertigung von bis zu 39 Monatsgehältern zu kassieren und zu einer Konkurrenz-Airline abzuwandern, ist derzeit noch unklar. Zuletzt war auf Betriebsratsseite von 200 bis 300 Piloten die Rede. Brancheninsider halten diese Zahlen allerdings für "viel zu hoch gegriffen" und sprechen von maximal 100.
Kürzere Anflugschneisen
Ebenfalls unklar ist somit, wie viel Geld die AUA auf den Tisch legen müsste, um jenen Piloten, die gehen, ihre Abfertigungen auszuzahlen. Doch mit der jetzt beschlossenen Geldspritze der Lufthansa ist auf alle Fälle vorgesorgt. Denn mit den Mitteln, die in naher Zukunft fließen sollen, kann die AUA die Umsetzung ihres Sanierungsplans finanzieren.
Dazu gehört auch die Harmonisierung ihrer Mittelstreckenflotte. Künftig soll diese nur noch aus Airbus-Flugzeugen bestehen. Für elf Flieger des Typs Boeing 737 läuft gerade der Verkaufsprozess, im Gegenzug sollen sieben neuwertige Airbus A320 in die Flotte eingegliedert werden - und zwar über Leasing. Auf der Langstrecke hingegen will die AUA der Marke Boeing wie bisher treu bleiben.
Das Sanierungspaket der AUA betrifft zu zwei Dritteln die Kosten und zu einem Drittel die Erlöse. Um das Geschäft anzukurbeln, will Airline-Chef Albrecht in den kommenden zwei Jahren in Summe mehr als 200 Millionen Euro investieren. Unter anderem ist ab Winter ein Kabinenumbau bei allen Langstreckenfliegern geplant (das sind zehn Flugzeuge).
Noch kurz zu den zuletzt von der AUA fixierten Einsparungen: Mit der Politik (Stichwort: Ticketsteuer und CO2-Steuer), dem Flughafen Wien und 60 Lieferanten, darunter Do & Co, habe man Zugeständnisse aushandeln können, wie Albrecht am Donnerstag berichtete. Der AUA-Chef hofft auch, bei den Anflugzeiten durch eine "Optimierung" ein bis zwei Minuten einzusparen. Pro Minute würde die AUA über das Jahr gerechnet 2,5 Millionen Euro einsparen (durch weniger Sprit und geringere Abgase). Ein Konzept wird gerade gemeinsam mit der Austro Control erstellt. Auch mit dem Bodenpersonal - es verzichtet bis Ende 2013 auf Gehaltssteigerungen - hat die AUA eine Grundsatzeinigung getroffen.
Für die Lufthansa selbst brachte 2011 mit einem Minus von 13 Millionen Euro ebenfalls Verluste. Um wieder Höhe zu gewinnen, hat sich Europas größte Fluglinie einen scharfen Sparkurs (1,5 Milliarden Euro) verordnet.