Eines gleich vorweg: Die diversen Analysen über das strukturelle Dilemma des österreichischen Gesundheitssystems sind von zeitloser Schönheit und - leider - Gültigkeit. Seit mindestens 15 Jahren wird regelmäßig vor der Pleite gewarnt, erschallt der Ruf nach Strukturreformen, Einsparungen und Einnahmensteigerungen. Grundsätzliches hat sich seitdem nicht geändert. Außer vielleicht, dass man sich von manchen schönen Illusionen verabschieden musste.
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Zu diesen zählt etwa die Mär, dass nur die Arbeitslosigkeit sinken und die Beschäftigung steigen müsse, um das marode Gesundheitssystem durch sprudelnde Mehreinnahmen wieder flott zu bekommen. Der Mythos von der Allheilkraft der Hochkonjunktur muss leider ad acta gelegt werden. Die enorme Kostendynamik in diesem Bereich frisst alle Mehreinnahmen erbarmungslos auf.
Mittlerweile geht sogar das Wort vom "Kassen-Bankrott" leicht über die Lippen mancher Funktionäre. Eine vielleicht etwas brachiale Art, um die Politik zu frischen Geldspritzen zu animieren, aber effizient, wie man an den jüngsten Flickschustereien am bestehenden Modell erkennen kann, um den Kassen noch die eine oder andere Handvoll Millionen zukommen zu lassen. Das alles ist jedoch bloße Schadensbegrenzung.
Und noch ein Mythos steht am Beispiel des Gesundheitswesens zur Debatte. Mit den Mitteln der Sozialpartnerschaft, also des Interessensausgleichs auf Verhandlungsbasis, lässt sich der Gordische Knoten, der das System gefangen hält, nicht durchschlagen. Zu mehr als einer politisch für Arbeitnehmer und Arbeitgeber akzeptablen Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge taugt dieses System nicht mehr. Die Politik wird am Ende wohl nicht darum herumkommen, die Machtfrage zu stellen.
Etwa in der Auseinandersetzung mit den Ärzten. Das wird für die Politik nicht ohne Schmerzen vonstatten gehen. Immerhin stehen die p.t. Patienten nur ungern vor den verschlossenen Praxen streikender Ärzte. Die Rache an den Urnen könnte gar fürchterlich ausfallen. Da Wahlen in dieser verschachtelten Republik stets hinter jeder Ecke lauern können, zieht die Politik lieber den Kürzeren. Selbst dann, wenn sie gute, ja mitunter sogar die besseren Argumente auf ihrer Seite hat.
Aber auch den Wählern ist die Wahrheit zumutbar. Angesichts einer enorm boomenden privaten Gesundheits- und Wellnessbranche, explodierenden Kosten dank medizinischem Fortschritt und demografischem Wandel wird die Frage, was ist öffentliche Verantwortung, was private, wohl neu zu verhandeln sein. Das laufende Verwirrspiel um die Pflegefinanzierung ist nur ein Vorbote dieser Diskussion. Billiger wird das ganze sicher nicht, weder für den Einzelnen noch für die Gemeinschaft.