Jerusalem - "Plötzlich sah ich im Eingang einen Mann. Innerhalb von Sekunden explodierte er, und an der Stelle, wo er stand, blieb nichts mehr übrig", erzählt ein verstörter Gast des schicken "Moment"-Café im Herzen des Jerusalemer Nobelviertels Rehawia. Der palästinensische Selbstmordattentäter sprengte sich am Samstagabend nur wenige Schritte vom offiziellen Wohnsitz des Ministerpräsidenten Ariel Sharon entfernt in die Luft. Elf Israelis und der Attentäter starben.
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Israelische Kommentatoren werteten den Schlag der radikal-islamischen Hamas gegen das Kaffeehaus in dem "am besten bewachten Viertel Israels" als "strategischen Terroranschlag" und weitere schwerwiegende Eskalation. Augenzeugen berichteten, Leichenteile seien auf das Dach über der Eingangstür geflogen. Zahlreiche blutverschmierte Leichen blockierten den Zugang zu dem populären Lokal, verängstigte Gäste zwängten sich durch ein Fenster im hinteren Teil ins Freie.
Nach dem lauten Explosionsknall flogen Glassplitter in alle Richtungen. Viele der etwa 65 zum Teil Schwerverletzten erlitten tiefe Schnittwunden. Andere wurden von der Explosion des Sprengsatzes verletzt, der mit etwa 100 Muttern und Nägeln gefüllt war, um den größtmöglichen Schaden anzurichten.
Einer der Besitzer des Kaffeehauses, Ilan Gordon, sagte, er habe vergangene Woche konkrete Warnungen vor einem Anschlag erhalten und daher die Wache am Eingang verstärkt. Kurz vor der Attacke hatten vor Ort noch israelische Friedensaktivisten demonstriert.
Das beliebte Cafe "Moment" galt als Treffpunkt junger Jerusalemer Künstler, Studenten und Journalisten, Repräsentanten des ständig schrumpfenden säkularen Sektors der Stadt. Alle elf israelischen Todesopfer sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Arieh Shawit von der Zeitung
In Israel jagen sich die Anschläge inzwischen in immer schnellerer Abfolge. Nur Stunden vor dem Bombenanschlag in Jerusalem hatten zwei bewaffnete Palästinenser auf der Hotelzeile der Küstenstadt Netanja wahllos auf Israelis geschossen. Dabei wurden 38 Menschen verletzt und zwei getötet, darunter ein wenige Monate altes Baby. Die in Südafrika lebenden Eltern waren zu Besuch in Israel, um das Kind den Großeltern zu zeigen.
Der Kommentator Nachum Barnea von der Zeitung "Yedioth Aharonot" sieht Parallelen zwischen dem Anschlag nahe dem Haus Scharons und den darauf folgenden israelischen Raketenangriffen auf das Hauptquartier Arafats. Dies beweise, "wie eng und tödlich verflochten diese beiden Völker miteinander sind".