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Massaker vor den Augen der Weltgemeinschaft

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Mladic ließ in Srebrenica 7800 Muslime hinrichten. | Wien. Srebrenica ist zum Synonym für das größte Verbrechen geworden, das in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg an Zivilisten begangen wurde. 15.000 serbische Soldaten überrannten Mitte Juli 1995 die bosnische Muslim-Enklave, die zuvor lange belagert worden war. Was folgte, war ein Massaker vor den Augen der UNO, bei dem mehr als 7800 Männer und Jungen im Alter zwischen 12 und 77 Jahren exekutiert und dann im Boden verscharrt wurden.


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Für die Umsetzung der lange geplanten Aktion war der bosnisch-serbische General Ratko Mladic verantwortlich. Den Auftrag für das Massaker hatte er von dem damaligen politischen Führer der Serben in Bosnien, Radovan Karadzic, erhalten. Karadzic wurde 2008 gefasst und muss sich vor dem UN-Tribunal in Den Haag verantworten. Dorthin soll auch Mladic überstellt werden.

Nachdem das Gebiet rund um Srebrenica jahrelang heftig umkämpft worden war, wurde es von der UNO 1993 per Beschluss zur Schutzzone erklärt - was Karadzic und Mladic im Juli 1995 ignorierten. Als die serbischen Truppen in die Schutzzone eindrangen, leisteten die dort stationierten 500 niederländischen Blauhelme keinen Widerstand. Das "Dutchbat" forderte zwar Luftunterstützung an, 60 Kampfjets kamen auch, griffen aber nicht direkt ein.

Die Serben begannen damit, männliche Muslime jedes Alters systematisch aus der Menge auszusondern, in Busse zu verfrachten und an verschiedenen Orten hinzurichten. Die Erschießungen dauerten fünf Tage. Viele, die fliehen konnten, wurden abgefangen und in den Wäldern hingerichtet. Es kam zu Massenvergewaltigungen, Menschen wurden die Ohren abgeschnitten, zahllose Bosniaken begingen Selbstmord, um nicht den Serben in die Hände zu fallen. Das Massaker fand vor den Augen der UN-Soldaten statt - die nicht eingreifen konnten, wie sie später angaben. Eine Mitschuld der Blauhelme wurde im Nachhinein nicht festgestellt.

Das Massaker kann aus heutiger Sicht als furchtbare Rache der Serben an den bosnischen Muslimen bezeichnet werden. Im Zuge der Kämpfe um den Raum Srebrenica hatten bosniakische Kämpfer dutzende serbische Dörfer angegriffen, zerstört und geplündert. Hunderte Serben wurden getötet, tausende in die Flucht getrieben.

Sechzehn Jahre nach dem Massaker sind noch immer nicht alle Massengräber gefunden und alle Opfer identifiziert. Zahllose Bosniaken haben ein Trauma erlitten, an dem sie bis heute laborieren. Dazu kommt, dass laut Medienberichten viele jener 500 niederländischen UN-Soldaten, vor deren Augen das Massaker stattfand, bis heute psychisch schwer gezeichnet und in medizinischer Behandlung sind.