Massentests wie in der Slowakei sind in Österreich nicht mit denselben Konsequenzen möglich.
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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich in der ORF-Pressestunde am Sonntag von den Massentests der Slowakei begeistert: Der "unglaubliche Kraftakt" dort habe "wahnsinnig gut funktioniert". Dem Nachbarland sei es gelungen, Zehntausende mit positiven Antigenschnelltests "durch Quarantäne auf Zeit aus dem Verkehr zu ziehen und so das Infektionsgeschehen massiv zu drücken".
Es sei "ein absolutes Erfolgsbeispiel", die Regierung bereite für eine sichere Wiedereröffnung nach dem 7. Dezember und ein möglichst sicheres Weihnachtsfest "einen ähnlichen Schritt vor". Das Gesundheitsministerium verdeutlichte in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der "Wiener Zeitung" bereits am Sonntag allerdings nur, dass Massentests ein "wesentlicher Teil" der Wiedereröffnungsstrategie, an der man diese Woche arbeite, "sein können".
Freiwilligkeit bei Massentestungen
Nach einer Videokonferenz des Kanzlers mit seinem slowakischen Ministerpräsidenten Igor Matovic Montagfrüh halten sich Bundeskanzleramt, Gesundheits- und Verteidigungsministerium weiterhin bedeckt. Auch Kurz selbst ließ über die APA nur wissen: Die Massentestung sei ein Angebot an jene, die sich keine teuren PCR-Tests im Labor leisten können, und eines fürs Lehrpersonal. Die Tests zeigten zwar nur eine Momentaufnahme, man wisse aber, ob der Betroffene in diesem eine Gefahr für seine Umwelt darstelle. Weitere Details liefere die Regierung Ende der Woche.
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Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) spricht am Montag von drei möglichen Zielgruppen von Massentests, die man im Laufe der Woche mit Experten prüfe: Die erste Möglichkeit sei, bereits bestehende Screeningprogramme in "Alten- und Pflegeheimen massiv auszubauen", die zweite seien regionale Schwerpunkttestungen, die dritte wäre, "sehr stark in die Fläche zu gehen". Anschober unterstreicht, dass die Teilnahme an solchen Test freiwillig sein müsse. Auch der Kanzler sagte: "Freiwilligkeit ist geplant."
Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner lag in der Slowakei am Freitag bei 239, in Österreich aber bei 551,8. Ob das mit kompletter Freiwilligkeit zu erreichen wäre, ist fraglich. Denn, die rege Teilnahme in der Slowakei, 3,6 Millionen in Runde eins, zwei Millionen in besonders stark von Neuinfektionen betroffenen Regionen in Runde zwei, war auch in der Slowakei "freiwillig".
Dem freien Willen wurde aber mittels harscher Konsequenzen nachgeholfen: Jene, die nicht teilnehmen wollten, mussten sich wie positiv Getestete in Heimquarantäne begeben. Einem Bericht der "FAZ" zufolge durften die, die kein negatives Testergebnis vorweisen konnten, ihre Wohnung nur in einem Umkreis von hundert Metern verlassen, nur zu festgelegten Tageszeiten im erwiesenermaßen nächstgelegenen Geschäft Lebensmittel einkaufen, aber weder arbeiten gehen, noch sich sonst im Freien aufhalten - sonst drohten Strafen von bis zu 1.600 Euro.
Eingriffe in Grundrechte sind rechtlich nicht gedeckt
Massentests sind also nicht nur, weil sie nur eine Momentaufnahme zeigen, diese mit sicherem PCR-Standard nicht machbar sind und Antigenschnelltests Falschnegative wie auch Falschpositive zur Folge haben können, problematisch, sondern auch, wenn sie "starke Eingriffe in die Grundrechte zur Folge haben", sagte Gerald Schimpf, Leiter des Krisenstabs, bereits im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Verfassungsrechtler Peter Bußjäger sieht derzeit außerdem "keine rechtliche Grundlage" für eine Verpflichtung zu solchen Tests. Das Epidemiegesetz deckt zwar das Testen von "kranken, krankheits- und ansteckungsverdächtigen Personen". Menschen ohne Symptome könne man das aber "schlicht und ergreifend nicht unterstellen".
Zwar könne man von spezifischen Berufsgruppen etwa in Spitälern einen negativen Test verlangen. Alle rund 120.000 Lehrerinnen und Lehrer zur Testung vor dem 8. Dezember zu verpflichten, gehe aber nicht. "Der Dienstgeber könnte sie vielleicht vom Unterricht mit Kindern fernhalten, sie müssten aber das volle Gehalt weiter erhalten."
Auch das Beschränken des Zutritts in den Handel auf jene mit negativem Test könnte rechtlich schwierig sein. "Grundsätzlich gibt es in einer freien Marktwirtschaft zwar keinen Kontrahierungszwang. Man darf Kunden nur nicht etwa aus religiösen Gründen diskriminieren, sonst aber aussuchen. Wenn es aber um die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens geht, könnte das Verfassungsgericht das anders sehen." Es gehe immer um das Abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse und der Verhältnismäßigkeit, was zumutbar ist: Dass Lebensmittelmärkte künftig also von jedem einen negativen Test vor dem Eintreten verlangen, scheint nicht wahrscheinlich.