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Massengrab in Westminster

Von Edwin Baumgartner

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Ich verstehe ja die Briten: Seit 63 Jahren kein Begräbnis eines Monarchen - und als Fan von Queen Elizabeth II. hoffe ich, dass es noch lange so bleibt. Aber ein wenig fragt man sich, wozu man die Monarchie hat, wenn es keine Begräbniszeremonien für gekrönte Häupter mit zwangsläufig nachfolgenden Krönungsfeierlichkeiten gibt. Nur zum Babybauchbestaunen? Doch weshalb sollte man nur wahrhaft gekrönten Häuptern solches bereiten wie Richard III., dessen Gebeine nun, nachdem er Jahrhunderte lang zum Übeltäter gestempelt worden war, feierlich beigesetzt wurden?

Ich denke an William Shakespeare, den König der britischen Literatur. Gewiss, auf der Grabplatte in der Holy Trinity Church in Stratford upon Avon steht, jeder sei verflucht, der die Gebeine bewegt. Aber was gilt heute ein Fluch? Eine feierliche Umbettung des Poeta laureatissimus wäre indes aus anderen Gründen problematisch: Wer garantiert, dass jener Stratford-Will-Shakspere William Shakespeare war? Soll man gar Marlowe in St. Nicholas Deptford ausbuddeln? Und wenn Shakespeares Werke Gemeinschaftsarbeiten waren? Das würde immerhin den unmenschlichen Wortschatz und die allumfassende Bildung erklären. Ein Massengrab in der Westminster Abbey? Inschrift: "Hier ruhen die Gebeine aller, die vielleicht Shakespeare waren"?

Daraus kann nur folgen, dass die Briten einen anderen zu ihrem Dichterkönig machen müssen. Arthur Conan Doyle etwa. Der war immerhin Sir. Und wenn "Der Hund der Baskervilles" auch dem "Sturm" geringfügig unterlegen ist: Man wüsste wenigstens, wen man da feierlich begräbt.