250 Millionen Betroffene weltweit. 750.000 Patienten in Österreich. Nur die Hälfte weiß von der Erkrankung: Knochenschwund (Osteoporose). Von der WHO wurde die Osteoporose in die Liste der weltweit zehn bedeutendsten Krankheiten aufgenommen, sowohl was die Krankheitsfolgen, als auch die dafür aufzuwendenden Behandlungskosten betrifft. Eine österreichische "Initiative gegen Osteoporose" will die Krankheit stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Laut Definition der WHO ist die Osteoporose eine Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und durch eine Störung der Mikroarchitektur des Knochengewebes, mit daraus resultierender Knochenbrüchigkeit und steigendem Fraktur-Risiko charakterisiert ist.
Jeder Mensch verliert mit zunehmendem Alter an Knochendichte und somit auch an Knochenstärke. Bei Frauen schreitet der Knochenschwund in Zusammenhang mit der hormonellen Umstellung nach der Menopause schneller fort. Deshalb sind vor allem Frauen nach den Wechseljahren von Osteoporose betroffen.
"Österreich verfügt über exakte Zahlen zur Häufigkeit von Knochenfrakturen auf Grund von Osteoporose. Sie stammen aus zwei Forschungsprogrammen der EU. Die Programme untersuchen an 14.000 europäischen Männern und Frauen im Alter über 50 Jahren seit nunmehr zwölf Jahren die Häufigkeit osteoporotischer Frakturen und den natürlichen Verlauf der Knochendichte im Alter", erklärt Univ.-Prof. Dr. Kurt Weber von der Universitätsklinik in Graz.
Es fehlt am Bewusstsein
Dabei wären die Voraussetzungen für die Früherkennung und die Therapie des Knochenschwundes in Österreich im Grunde perfekt. Die Versorgung der rund 700.000 in Österreich Erkrankten liegt dennoch im argen. "Die Osteoporose ist ein klar definiertes Krankheitsbild. Wir haben weltweit die meisten Knochendichtemessgeräte. EU-weit werden bei uns die meisten Knochendichtemessungen durchgeführt. Wirksame Medikamente (Kalzium, Vitamin D und Bisphosphonate) sind verfügbar und werden von den Krankenkassen erstattet," führt Weber aus.
Doch es fehle oft das Bewusstsein. "In Österreich gehen 25 Prozent der über 50-jährigen Frauen pro Jahr zur Knochendichteuntersuchung. Doch selbst nach einem Oberschenkelhalsbruch erhalten in der Steiermark nur sieben Prozent eine entsprechende Behandlung", so Weber. Dabei seien 95 Prozent der Schenkelhalsbrüche Osteoporose-bedingt. Doch selbst mit diesen Zahlen dürfte Österreich international noch im positiven Sinn eine Spitzenstellung innehaben. "Ein 'Paradies' ist Österreich nur für jene rund zehn Prozent der Osteoporosepatienten, die behandelt werden. Die anderen Länder sind noch viel schlechter. Die Politik sollte die Forderung der EU, die Osteoporose als zentrales Ziel zu betrachten, umsetzen. In Europa erleiden 30 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer zumindest eine Fraktur durch den Knochenschwund," erläutert Weber.
Eine mit zunehmendem Alter abnehmende Knochendichte führt zunächst - etwa in einem Durchschnittsalter der Betroffenen von 65 bis 70 Jahren - zu Wirbeleinbrüchen. Die Folge sind oft chronische schwere Schmerzen und Invalidität. Das Durchschnittsalter der Kranken mit einem Schenkelhalsbruch liegt hingegen etwa zehn Jahre höher. Offenbar äußert sich der Knochenabbau zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten des Skeletts. Hinzu kommen Stürze als Auslöser von Schenkelhals- und Unterarmbrüchen. Die größere Häufigkeit von osteoporotischen Frakturen bei Frauen erklärt sich aus zwei Gründen: Frauen haben eine höhere Lebenserwartung als Männer, deshalb gibt es mehr ältere Frauen. Osteoporotische Frakturen treten als Folge von Stürzen auf - und Frauen stürzten wesentlich häufiger als Männer. Das erklärt auch die viel größere Zahl von Unterarmbrüchen. Sie treten beim versuchten "Abfangen" als Abwehrreaktion auf.
Buchstäblich lebensgefährlich sind trotz aller Fortschritte der Unfallchirurgen bei der Versorgung der Patienten die Oberschenkelhalsbrüche: 20 Prozent der Opfer von Oberschenkelhalsbrüchen sterben. Daran sind Komplikationen nach der Operation schuld, die betagte Menschen besonders treffen. 30 Prozent bleiben behindert. Nur 50 Prozent der Patienten erlangen wieder jene Mobilität, die sie vor dem Unfall hatten.
"Derzeit gibt es in Österreich rund 12.000 Schenkelhalsfrakturen pro Jahr, bei Kosten pro Fraktur von etwa 12.000 Euro. Bis 2040 wird die Zahl der Schenkelhalsfrakturen in Österreich auf etwa 25.000 steigen," zeigt Weber auch die finanzielle Belastung, die die Osteoporose für das Gesundheitssystem darstellt, auf.
Initiative gegen Osteoporose
Eine in Wien präsentierte "Nationale Initiative gegen Osteoporose" will die Öffentlichkeit auf das Problem Osteoporose aufmerksam machen. Bei dem Leiden würde es sich um eine hoch gefährliche Massenerkrankung handeln, so die Initiatoren.
Schirmherrin der Initiative ist Ex-Spitzensportlerin und Nationalratsabgeordnete Ingrid Wendl. "Man muss mit 40 anfangen zu schauen, wo man mit seiner Gesundheit steht. 60-jährige Frauen haben heute noch eine Lebenserwartung von 24 Jahren, 60-jährige Männer eine von 20 Jahren," so Wendl. Von dieser durchschnittlichen Lebenserwartung bei den 60-Jährigen müssten aber bei den Frauen sechs Jahre und bei den Männern fünf Jahre als Zeitspanne eingerechnet werden, in denen sie invalide wären. Genau diese Spanne gelte es zu reduzieren.
Das Leiden ist jedenfalls in den Griff zu bekommen. Silvia Edlinger (79), pensionierte Kindergarten-Leiterin und Mitglied der Osteoporose Selbsthilfe Klagenfurt: "Ich war 1,86 Meter groß und bin schon sehr erschrocken, als es um zwölf Zentimeter weniger waren. Ich leide an Osteoporose, die behandelt wird, und komme sehr gut damit zurecht."
Günter Baumann, Kärntner Sonderschulpädagoge (55): "Ich habe eine hochgradige Osteoporose. Man zerbröselt tatsächlich. Ich nehme Medikamente. Die Knochendichte hat sich nach einem Jahr leicht gebessert." Sein Rat an die Männer: "Burschen, geht's zur Knochendichtemessung."
Vorbeugen durch Bewegung und Ernährung
Osteoporose könnte bei vielen Menschen verhindert werden durch regelmäßige sportliche Aktivität mit Muskelkräftigung und durch richtige Ernährung. Für Osteoporose-Patientinnen eignen sich besonders Spaziergänge und leichte sportliche Betätigungen wie Schwimmen, Wandern und Rad fahren. Die Vermeidung von Stürzen ist ein wesentlicher Punkt für ein gesundes Leben mit Osteoporose. Auf Sportarten mit erhöhter Sturz- oder Verletzungsgefahr, wie z. B. Ski fahren, sollte verzichtet werden.
Im Verlauf des ganzen Lebens ist die Calcium-Zufuhr wichtig. Die wichtigsten Calciumlieferanten sind Milch und Milchprodukte, calciumreiche Mineralwässer sowie grüne Gemüse (Salat, grüner Kohl, Brokkoli, Lauch).
Für einen gesunden Knochen ist auch Vitamin D von großer Bedeutung. Es ist vor allem in Seefisch enthalten, wird aber auch (im Sommer) in unserer Haut durch den Einfluss der Sonne (UV-Licht) gebildet. Zum Beispiel reichen bei Menschen unter 70 Jahren während der Sommermonate bereits zehn Minuten Aufenthalt im Freien mit "Bestrahlung" der Hände und des Gesichtes, um den Tagesbedarf an Vitamin D zu decken.
Für Frauen in den Wechseljahren, bei denen weitere Risikofaktoren vorliegen, ist eine vorbeugende Behandlung mit Östrogen/Gestagen zu überlegen. Männer mit Sexualhormonmangel sollten darüber mit einem Arzt mit entsprechender Erfahrung sprechen.
Information: Telefonhotline Nationale Initiative gegen Osteoporose: 0810-820-280
http://www.osteoporose.at