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Massenseligsprechung spanischer Märtyrer

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Vatikan - Papst Johannes Paul II. bleibt seinem Ruf als Kirchenoberhaupt der Superlativen treu. Kommenden Sonntag wird er bei der größten Seligsprechungszeremonie der neueren Kirchengeschichte auf dem Petersplatz 233 Märtyrer, die während des spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) ermordet wurden, in den Rang der Seligen erheben. Unter spanischen Theologen ist diese Flut von Seligsprechungen aber nicht ganz unumstritten.


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6.845 Kleriker fielen den Verfolgungsmaßnahmen während des spanischen Bürgerkrieges laut jüngsten Forschungen zum Opfer, unter ihnen 13 Bischöfe, 283 Nonnen, 2.365 Mönche und 4,184 Priester.

Der überwiegende Teil der Kleriker wurde in den ersten Monaten des Bürgerkrieges auf republikanischer Seite ermordet, da man sie als Verbündete der aufständischen Franco-Truppen betrachtete und manchmal auch alte Rechnungen beglichen wurden. Zu den ersten Opfern gehörten Karmeliterinnen in einem Kloster von Barcelona, in deren Konvent sich ein aufständisches Kavallerieregiment verschanzt hatte. In weiterer Folge wurden Nonnen - entgegen der lange Zeit von Franco-Seite verbreiteten Propaganda - zwar aus ihren Klöstern vertrieben, aber ansonsten weitgehend unbehelligt gelassen, was sich auch in der verhältnismäßig geringen Anzahl der Getöteten niederschlug.

Auf republikanischer Seite wurde die Verfolgung von Klerikern damit gerechtfertigt, dass klerikale Kreise offen die Position der Franco-Putschisten verteidigten.

Führende Kleriker, wie der Dominikanerpater Ignacio Menendez Reigada rechtfertigten in ihren Schriften den Aufstand der Francotruppen gegen die Volksfrontregierung und glorifizierten sie als "heiligsten Krieg". Der Bischof der Diözese Barcelona, Monsignor Irurita hatte schon vor dem Bürgerkrieg seinen Kanonikus beauftragt, Geld für einen Militäraufstand gegen die Republik zu sammeln. Irurita gab sich, als er gefangengenommen wurde, als baskischer Priester aus, wurde aber erkannt und erschossen. Ein weiterer devoter Anhänger Francos war der Bischof von Salamanca, Pla y Deniel, der einen Aufruf für Franco redigieren ließ, der von 43 Bischöfen unterzeichnet wurde, wobei bemerkenswert war, wer diesen Aufruf nicht unterzeichnete: der Kardinal von Barcelona Vidal i Barraquer, der sich freiwillig ins Exil nach Rom begeben hatte, der Bischof aus der baskischen Hauptstadt Vitoria Mateo Mugica und der Jesuitenpater Segura, der später unter Franco den Märtyrerbegriff erheblich erweiterte. Der Vatikan unter Papst Pius XI. aber auch unter seinem Nachfolger Pius XII. standen dem Franco-Regime abwartend bis negativ gegenüber.

Dazu trug unter anderem bei, dass die Franco-Truppen nach der Eroberung des Baskenlandes im April 1937 gleich einmal 14 baskische Priester erschießen ließen, weil sie ihnen vorwarfen baskische Nationalisten zu sein. Der im französischen Exil weilende Bischof Mugica wies diesen Vorwurf in einem Memorandum an den Vatikan scharf zurück. Der Druck aus Rom dürfte dann die weitere Hinrichtung baskischer Priester gestoppt haben, nicht aber deren Verfolgung durch das Franco-Regime. Rund 1000 baskische Kleriker wurden in den folgenden Jahren gefangengenommen, deportiert oder anderen Verfolgungen ausgesetzt.

Besonders tragisch war der Fall des christdemokratischen katalanischen Abgeordneten Carrasco i Formiguera, der vor antikatholischen Verfolgungen aus Katalonien ins Baskenland geflüchtet war und dort am 9. April 1938 von Francotruppen füsiliert wurde, obwohl Nuntius Antoniutti, Kardinal Goma und die Jesuiten sich bei Franco für ihn eingesetzt hatten.

Der 85-jährige spanische Theologe Miret Magdalena, der diesen Fall in seinen kürzlich veröffentlichten Erinnerungen aufgreift, meint, dass diesem Mann wohl eher die Seligsprechung zustünde als Opfern aus den ersten Tagen des Bürgerkrieges, die auf der Flucht erschossen worden waren. Er zitiert in seinem Buch auch einen Pastoraltext des Bischofs von Siguenza-Guadalajara, Jesus Pla, aus dem Jahr 1986. Darin heißt es, dass es auf beiden Seiten aus politischen Gründen Tote gegeben habe - rund 150.000 gingen nach Schätzungen der jüngeren Forschungen auf das Konto der Franco-Seite, knapp 38.000 auf die republikanische Seite -, die auf persönliche Rache, alte Hassgefühle und unkontrollierte Repression zurückzuführen seien. Pla warnte davor, nur rein religiöse Gründe gelten zu lassen und wies auf die Einschränkungen der massiven Seligsprechungen unter Papst Paul VI. hin, die - so Pla wörtlich - unter Johannes Paul II. unverantwortlicherweise wieder aufgenommen wurden.