Zu wenige Betten und ambulante Plätze für psychisch erkrankte Minderjährige. Es fehlt an Fachärzten.
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Wien. Weil es keine Betten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mehr gab, wurden im Vorjahr in Wien 163 Kinder und Jugendliche auf der stationären Erwachsenenpsychiatrie aufgenommen. Mit psychisch erkrankten Erwachsenen konfrontiert zu werden, sei eine extrem belastende Situation für die jungen Menschen, kritisierten am Donnerstag Volksanwaltschaft und Patientenvertreter. Die Betreuung sei nicht altersadäquat. Sie forderten daher eine rasche Umsetzung von Verbesserungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dabei gehe es vor allem um den Ausbau der ambulanten Behandlungsplätze sowie der Bettenanzahl auf Spezialstationen für die Behandlung Minderjähriger.
In Wien gibt es derzeit nur 56 Betten und 20 Tagesklinik-Plätze. Auch sozialtherapeutische Wohnplätze sowie Fachärzte mit Kassenverträgen sind rar gesät. Konkret gibt es sechs Kassenordinationen für Kinder- und Jugendpsychiatrie - diese Zahl ist seit Jahren konstant. Die Zahl der Wahlärzte in diesem Gebiet hat sich indes laut Wiener Ärztekammer von 11 im Dezember 2016 auf aktuell 14 erhöht. Das Honorar für einen Privatarztbesuch liegt bei rund 130 Euro. 80 bis 100 Prozent werden allerdings in der Regel rückerstattet.
Eine Kassenstelle unbesetzt
Österreichweit liege die Zahl der Betten bei rund 250 und jene der Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie bei 26,5, sagt Christian Kienbacher von der österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit zur "Wiener Zeitung". Im Burgenland und in der Steiermark gebe es keine einzige. Niederösterreich, das erste Bundesland, in dem vor zehn Jahren die ersten beiden niedergelassenen Fachärztinnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie einen Kassenvertrag bekamen, habe mit acht die meisten Kassenstellen. Das Kuriose daran: Eine Stelle ist laut Kienbacher gar nicht besetzt.
Denn das sei "die Krux bei der Geschichte", so der Facharzt. Ein Spitalsarzt könne zwar generell zwei weitere ausbilden, "viele Krankenhäuser sehen aber wenig Sinn darin, weil die ausgebildeten Ärzte nachher weggehen". Ein "Riesenproblem" bei der Schaffung von Nachwuchs.
Nicht zuletzt sei das aber auch darin begründet, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie lange stiefmütterlich behandelt wurde. Erst seit zehn Jahren gibt es die Facharztausbildung, davor war es ein Zusatzstudium etwa für Kinderärzte. Aktuell besitzen 213 Mediziner den Facharzttitel - nur etwas mehr als die Hälfte von diesen ist laut Kienbacher in der Kernversorgung tätig.
Die im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) festgelegte Grenze, dass auf 80.000 Einwohner ein Kassenvertrag kommen muss, zeichne sich daher nicht ab. Die Unterversorgung sei eklatant, so Kienbacher.
Eine dramatische Kostenfalle, wenn man bedenke, dass 15 bis 22 Prozent der Kinder psychische Auffälligkeiten zeigten. Bei acht Prozent sei es notwendig, dass diese behandelt werden. In Zahlen sehe das so aus, dass 170.000 der insgesamt 1,7 Millionen unter 20-Jährigen deutlich psychisch erkrankt seien. Nur 36.000 von ihnen seien in Behandlung, sagt Kienbacher. Scheitert ein Betroffener aus psychischen Gründen auf seinem Lebensweg und braucht soziale Unterstützung, könne das den Staat bis zu zwei Millionen Euro kosten.
45 Betten in Wien in Planung
In Wien forderte die Patientenanwaltschaft die Verantwortlichen daher auf, ambulant und stationär kurzfristig zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. 45 zusätzliche Betten seien fix in Planung, heißt es dazu auf Nachfrage vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV). Diese würden mit der Eröffnung des Krankenhauses Nord und nach dem Umbau der Kinderpsychiatrie am Rosenhügel (15 Betten, geplant 2018), zur Verfügung stehen. Dass Kinder in der Psychiatrie-Erwachsenen-Station versorgt werden, erfolge nur in Akutsituationen und kurzfristig. Laut einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums an den KAV bestehe übrigens in diesem Bereich eine Kompetenzüberschreitung, so der KAV.
Was die Leistungen der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) betrifft, so gebe es in Wien zusätzlich zu den sechs Kassenstellen zehn Versorgungseinrichtungen, in denen die WGKK die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung zur Gänze finanziere. Zudem existierten Verträge unter anderem mit dem Verein "die Boje" und dem SOS-Kinderdorf, insgesamt gebe es 15 WGKK-finanzierte Stellen in diesem Bereich. Diese könnten kostenlos und ohne Zuweisung in Anspruch genommen werden.