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Massive Internet-Abzockerei mit "Gelbem Branchenbuch"

Von Kid Möchel

Wirtschaft
Teurer Internet-Eintrag: Österreichische Unternehmen könnten "Herolds" in die Falle gehen.
© © Schlierner - Fotolia

Dubiose Verzeichnisfirma "Herolds Medienverlag SL" treibt ihr Unwesen.


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Wien/Salzburg. Auf Österreichs Wirtschaftstreibende dürfte derzeit eine neue Abzockwelle zurollen. Die Herolds Medienverlag SL, eine GmbH mit Postfächern in Wals-Siezenheim und Wien und Sitz in Madrid, hat ihre Schleppnetze ausgeworfen. Mit Hilfe der Österreichischen Post AG Info.Mail verschickt Herolds auf gelbem Briefpapier Eintragungsanträge und Korrekturabzüge für ihr "Gelbes Branchenbuch", das unter www.gelbesbranchenbuch.at im World Wide Web vor sich hin dümpelt. Bis 23. November sollen die angeschriebenen Firmen "die gewünschte Eintragungsform" auswählen und zurückschicken.

"Die Annahme dieses Angebots erfolgt durch Unterschrift", heißt es im Vordruck. Monatlich sind für den Eintrag 43 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu berappen, die Laufzeit des "Angebots" beträgt drei Jahre und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, falls nicht drei Monate "vor Ablauf des Eintragungsjahres schriftlich per Einschreiben gekündigt wurde". 1548 Euro plus Mehrwertsteuer sind in drei Jahren zahlen.

Wer aber den Eindruck gewonnen hat, dass Herolds und "Gelbes Branchenbuch" mit dem österreichischen Telefonbuch-Herausgeber und Informationsdienstleister Herold Business Data (herold.at, Gelbe Seiten) etwas zu tun haben, der irrt bzw. wurde mutmaßlich in die Irre geführt. "Wir werden wegen unlauteren Wettbewerb und Markenrechtsverletzung klagen", sagt Karl Hornek, Anwalt von Herold Business Data, zur "Wiener Zeitung".

Alte bekannte Hauptakteure

"Dieser Fall ist der größte Adressbuchschwindel überhaupt, der auf vielen Ebenen zu Aktivitäten führt, sei es bei der Europäischen Kommission oder der Staatsanwaltschaft Leoben", sagt Hannes Seidelberger vom Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, ein Verein im Umfeld der Wirtschaftskammer Österreich. "Es sind hunderte, wenn nicht sogar tausende österreichische Unternehmen betroffen." Laut spanischem Handelsregister wurde die Herolds Medienverlag SL im Februar 2012 eingetragen, als Alleingesellschafter scheint "Konrad Bohm Peter" auf. Dabei dürfte es sich um den deutschen Adresszampano Peter Konrad Böhm, Jahrgang 1961, aus Ingolstadt handeln. Böhm ist für den Schutzverband kein Unbekannter.

So war er laut Firmencompass von 1995 bis Ende 2001 Geschäftsführer der mittlerweile gelöschten IHG Firmenverzeichnis für Industrie, Handel und Gewerbe GmbH in Wien und von Herbst 2002 bis September 2004 Geschäftsführer der Online-Branchenregister GmbH mit der bekannten Briefkastenadresse Moosstraße 60 in Salzburg. Gegen die GmbH ging der Schutzverband erfolgreich gerichtlich vor.

Von 2006 bis August 2011 war Böhm Prokurist der Salzburger Branchenregister GmbH, die er mit Kumpel Bernhard Loschge, Jahrgang 1958, wohnhaft in Teneriffa, betrieb. Auch in diesem Fall war der Schutzverband gerichtlich erfolgreich. Loschge ist auch mit der IHG Business Data SL. Postfach 16, 5071 Wals, in Österreich aktiv, die das "online.branchenverzeichnis.at" betreibt. Diese Homepage ist ein Zwilling des "gelben Branchenbuchs", selbst die Newsticker-Meldungen sind ident. Auch bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen herrscht volle Übereinstimmung. Experten gehen davon aus, dass die Herolds Medienverlag SL die Nachfolgerin von IHG Business Data SL ist. Denn: Gegen IHG-Zampano Loschge haben mutmaßlich Geschädigte Betrugsanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Leoben eingebracht. Die stellte zwar 2010 das Verfahren ein, das Landesgericht ordnete die Fortführung an. "Es deutet mehreres auf eine Täuschungsabsicht der Firma IHG hin", urteilte Richter Martin Stefula im September 2010. Jetzt möchte die Staatsanwaltschaft Leoben den Fall aber an die spanische Justiz abtreten, falls ein spanisches Untersuchungsgericht eine dortige Verfahrenseinstellung aufhebt. Dem Vernehmen nach werden die Betrugsvorwürfe bestritten.

Detail am Rande: IHG klagt österreichische Kunden, die ins Netz gegangen sind und nicht zahlen, vor spanischen Gerichten. Eine Vorarlberger Firma hat laut Seidelberger eine solche Klage in zwei Instanzen verloren.