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"Maßnahmen sind in Kenia strikter als hier"

Von Klaus Huhold

Politik

Georg Ecker war für das Rote Kreuz in Kenia stationiert. Er berichtet, wie rigoros das Land gegen Corona vorgeht - und warum man gerade in Afrika merkt, dass die Pandemie den Klimawandel nicht zum Verschwinden gebracht hat.


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Dass diese Krise eine außergewöhnliche und globale ist, hat der Rot-Kreuz-Mitarbeiter Georg Ecker nicht zuletzt bei seiner Rückkehr nach Österreich aus Kenia vergangene Woche erlebt. "Ich bin noch nie von einem Einsatz nach Hause gekommen und hier hat meine Familie mit der gleichen Katastrophe zu kämpfen gehabt", erzählt er.

Auch in Afrika fallen die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen oft rigoros aus. Ecker hat diese als Covid-19-Africa-Response-Koordinator des Internationalen Roten Kreuzes in Kenia hautnah miterlebt. So ist der kenianische Luftraum seit Mitte März geschlossen, nur etwa alle zwei Wochen geht ein Flieger nach London - mit so einem hat auch Ecker das Land verlassen. Abgeriegelt sind auch Großstädte wie Mombasa oder die Hauptstadt Nairobi, nur noch wichtige Transporte kommen durch. Und kaum wird irgendwo ein Corona-Fall registriert, wird diese Wohngegend abgesperrt oder die Betroffenen kommen in speziellen Einrichtungen, etwa in Hotels, in Quarantäne - und müssen das oft auch noch selbst bezahlen.

Massive soziale Folgen

Darüber hinaus gibt es eine nächtliche Ausgangssperre, werden die Bürger in sämtlichen öffentlichen Räumen, etwa in Supermärkten oder anderen Geschäften, aufgefordert, sich die Hände zu desinfizieren. Wenn sie nur in die Nähe von Menschenansammlungen kommen, müssen sie Mundschutz tragen, und in den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie den Sammeltaxis ist die Zahl an Fahrgästen streng limitiert. Das alles wird scharf kontrolliert. "Die Maßnahmen sind um einiges strikter und umfassender als hier in Österreich, und Kenias Regierung ist auch beim Zurückfahren von ihnen viel zögerlicher", berichtet Ecker im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Damit konnten in Kenia die Fallzahlen unten gehalten werden. Laut den Daten der Johns-Hopkins-Universität gab es in dem 47-Millionen-Einwohner-Land bis Freitag 3215 Infizierte. Auch in anderen ostafrikanischen Staaten sind die Zahlen ähnlich niedrig beziehungsweise noch niedriger. Allerdings wird dort viel weniger getestet als in Europa - und wenn in einzelnen Regionen intensive Testungen stattfinden, gehen die Fallzahlen oft nach oben.

Gleichzeitig bedeuten die Maßnahmen einen massiven sozialen Einschnitt für viele Menschen. Einem Straßenhändler, der von Tag zu Tag sein ohnehin äußerst geringes Einkommen erwirtschaftet, kann eine zweiwöchige Quarantäne seine Lebensgrundlage entziehen. Deshalb unterstützt das Rote Kreuz in Zusammenarbeit mit anderen NGOs und der Regierung Betroffene, etwa durch Lebensmittelzuwendungen.

Generell hat die Pandemie auch die Arbeit des Internationalen Roten Kreuzes verändert, berichtet Ecker. So mussten lebensnotwendige Projekte freilich aufrechterhalten bleiben - etwa die Wasserversorgung von Flüchtlingen in Uganda, die vor dem Bürgerkrieg im benachbarten Südsudan geflohen sind. Bei anderen Projekten wurde hingegen der Schwerpunkt in Richtung Covid-19-Prävention verschoben. Dafür bieten sich Maßnahmen im Sanitär- und Hygienebereich an, bei denen auch Aufklärungsarbeit betrieben wird.

Es ist eine schwierige Situation - sowohl für Afrikas Regierungen als auch die dort tätigen Organisationen. Wird Corona nicht massiv bekämpft, droht eine Gesundheitskatastrophe, die auf ein fragiles und unterversorgtes Spitalwesen trifft. Gleichzeitig werden durch die Konzentration auf die Corona-Pandemie zuletzt erzielte Fortschritte wieder gefährdet.

Es gibt weitere Katastrophen

So warnten bereits die UNO und zahlreiche afrikanische Mediziner, dass andere Krankheiten wie Malaria und Masern sich wieder verstärkt verbreiten könnten. Eine Gefahr, die auch Ecker sieht. Und er verweist auf noch einen Aspekt: "Es gibt weitere Katastrophen in Afrika."

So ändern sich derzeit die Regenzeiten. "Das hat massive Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die sich seit Jahrhunderten nach Regenzeiten richtet. Wenn der Regen mehr als einmal ausfällt, reichen die Lager nicht mehr aus, um den Verlust auszugleichen", berichtet Ecker. Neben den Dürreperioden häufen sich auch die Starkregenereignisse. Das sorgt für Überschwemmungen und ist mitverantwortlich für die derzeit grassierende Heuschreckenplage. "Diese nimmt Ausmaße an, wie wir sie noch nicht kannten. Sie breitet sich über ganz Ostafrika, über die Arabische Halbinsel bis nach Indien aus."

All dies hängt wiederum mit dem Klimawandel zusammen. "Wir hatten die Tendenz, den Klimawandel ein wenig zu vergessen", sagt Ecker. "Durch diese Ereignisse wird man sich aber wieder bewusst, dass das nicht auf zauberhafte Weise durch den Corona-Ausbruch verschwunden ist."