Die Reform der Wirtschaftskammer könnte eine zentrale Schaltstelle für Österreichs Exportwirtschaft schaffen.
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Wien. "Wenn wir von anderen etwas fordern, dann müssen wir es auch selbst leisten." Mit diesen Worten gab WKÖ-Präsident Christoph Leitl vor einigen Wochen den Startschuss zur Reform der Wirtschaftskammer Österreich: Das rund 870 Millionen Euro schwere WKÖ-Budget soll ab 2019 um 134 Millionen Euro jährlich entlastet werden. Österreichs Unternehmer sollen künftig weniger für die WKÖ-Pflichtmitgliedschaft zahlen, aber trotzdem mehr Leistungen erhalten. Wie diese Einsparungen zustande kommen sollen, ist allerdings noch unklar, aber im Hintergrund wird bereits intensiv an Szenarien gearbeitet. Eines davon ist die Zusammenlegung aller für die Exportwirtschaft zuständigen Stellen im Außenministerium.
Die bisher von der WKÖ kommunizierten Einsparungspotenziale wie die Fusion von Fachverbänden sowie Landeskammern, die Nichtnachbesetzung von frei werdenden Posten oder die verstärkte Kommunikation via Internet sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es müssen deutlich größere Hebel betätigt werden, um die anvisierten 134 Millionen Euro einzusparen.
Ein solcher wäre die Außenwirtschaft Austria (AWO). Sie ist mit etwa 800 Mitarbeitern in mehr als 70 Ländern und einem Volumen von rund 80 Millionen Euro der größte Budgetposten auf Bundesebene der Wirtschaftskammer.
"Ein Einheitsbreiwäre nicht gut"
Laut gut informierten Kreisen gibt es Überlegungen, die AWO in die Zuständigkeit des Außenministeriums zu verlagern. Das würde einerseits das Budget der Kammer entlasten, andererseits könnte die im Wirtschaftsministerium ansässige Sektion "Außenwirtschaftspolitik und Europäische Integration" ebenfalls ins Außenamt übersiedeln und dort zusammen mit der AWO zur zentralen Schaltstelle Österreichs in der Exportwirtschaft werden, so der auf höchster Ebene kolportierte Masterplan. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und WKÖ-Präsident Christoph Leitl sollen sich diesbezüglich bereits Ende 2015 ausgetauscht haben.
Den zuständigen Pressestellen ist die Existenz einer solchen Idee allerdings nicht bekannt. Unklar ist ebenso, wie sich die vorgezogenen Nationalratswahlen auf die Pläne ausgewirkt haben - immerhin kann nicht abgeschätzt werden, wer in Zukunft Außenminister sein wird und damit der neuen Außenwirtschaftszentrale vorstehen würde.
"Ich kann in der derzeitigen Phase nicht konkreter werden, aber die Kammerreform zwingt uns, genauer auf unsere Strukturen zu schauen und Effizienzpotenzial zu finden", sagt AWO-Chef Walter Koren. Die Idee, die AWO mit der WKÖ-Abteilung im Außenministerium zusammenzuführen, will Koren weder bestätigen noch dementieren. Er steht ihr aber grundsätzlich skeptisch gegenüber.
"Ein Einheitsbrei wäre nicht gut. Man sollte die Stärken der einzelnen Außenhandelsstellen dort belassen, wo sie am besten aufgehoben sind. Außerdem würde die Wirtschaftskammer damit ein super Asset aufgeben", sagt der AWO-Leiter, der seine Abteilung in den vergangenen 15 Jahren zu einer gut organisierten Servicestelle für österreichische Unternehmen aufgebaut hat.
Bis Jahresende erhält die AWO sogar weitere Zuständigkeiten: 35 der bisherigen Außenstellen werden zu sogenannten Innovationscentern umgewandelt, die Erkenntnisse der internationalen Spitzenforschung nach Österreich bringen sollen. Geplant sind Kooperationen mit renommierten Universitäten wie Stanford, MIT oder der ETH Zürich. In der Anfangsphase sollen dafür bis zu drei Millionen Euro aufgebracht werden.
Delegierte werdenzu Diplomaten
Doch bevor investiert wird, muss gespart werden. So versuchen das Außenamt und die AWO schon heute, Parallelstrukturen zu vermeiden: Viele Wirtschaftsdelegierte sind in Botschaften untergebracht, um sich die Miete und die Dienste von Hilfskräften zu teilen, beispielsweise in Kolumbien und Slowenien, demnächst auch in Weißrussland und in Westchina. Umgekehrt gibt es auch Wirtschaftsdelegierte, die repräsentative oder konsularische Aufgaben von Botschaftern übernehmen. Eine solche Lösung gibt es im Baltikum, im Oman, in Venezuela oder Südchina. Auch die Außenwirtschaft des Wirtschaftsministeriums arbeitet bereits heute eng mit der AWO zusammen - insbesondere im Bereich der Exportförderungen.
"Wir sind mit dem Außenamt permanent im Austausch. Ich bin grundsätzlich ein großer Anhänger davon, Synergien zu suchen", sagt Koren. Diese Aufgabe wird aber sein Nachfolger übernehmen müssen, denn Koren tritt mit Jahresende als AWO-Chef zurück und lässt seine Karriere als Wirtschaftsdelegierter in Kalifornien ausklingen. Der Rücktritt habe jedoch nichts mit den Fusionsplänen zu tun, sagt Koren: "In mir ist der Wunsch gewachsen, zum Abschluss noch einmal raus an die Front zu gehen."