Wirtschaftskammer und Manager loten Chancen aus, Konkurrenz ist enorm.
Rangun. Rangun ist eine verfallene und laute Stadt. Die Gehsteige sind voller Löcher und die hohe Luftfeuchtigkeit hat von vielen Häusern den Putz abgenagt. In Chinatown, das mitten im Zentrum der größten Stadt von Myanmar (Burma) liegt, krähen in aller Früh in den Hinterhöfen Hähne, sind die Straßen schnell vom Verkehr verstopft und das ständige Hupen der Autos sorgt mit den Rufen der Straßenhändlern für eine permanente Geräuschkulisse.
Einen scharfen Kontrast zu dieser für Rangun typischen Szenerie bildet das "Pun Hlaing Golf Estate" am Rande der Vier-Millionen-Einwohner-Stadt. Wo früher nur Sumpfland war, werden heute geräumige, weiß gestrichene Häuser mit weitläufigen Terrassen zum Verkauf angeboten, die von einem ruhigen Park samt Golfplatz umgeben sind. Es ist eine Siedlung für die Reichen, hochgezogen unter anderem von dem Investor Serge Pun und seiner Serge Pun & Associates Group.
Der Geschäftsmann machte zunächst mit Immobilien in Hongkong sein Geld. Anfang der 1990er Jahre kehrte er in sein Heimatland Myanmar zurück, wo damals noch eine brutale, vom Westen geächtete Militärdiktatur herrschte. Der Tycoon arrangierte sich mit den Generälen, aber es gelang ihm, zumindest so sauber zu bleiben, dass er - im Gegensatz zu anderen Geschäftsleuten - nie auf einer der Sanktionslisten der EU und USA landete.
Heute ist sein Unternehmen, das vom Finanzsektor bis zur Landwirtschaft in den verschiedensten Bereichen mitmischt, ein Schwergewicht im Wirtschaftsleben Myanmars und einer der wichtigsten Partner für westliche Investoren. Diese strömen derzeit in das Land und auch die Österreicher suchen ihre Chance. Angeführt von Präsident Christoph Leitl hat eine Delegation der Wirtschaftskammer gemeinsam mit mehreren Dutzend Unternehmern Myanmar besucht, um Geschäftsmöglichkeiten auszuloten. Und Pun gibt bei einem Vortrag den Österreichern einen Tipp: dass sie nicht warten, sondern schnell handeln sollen.
Denn Myanmar steht wieder offen für westliche Geschäftsleute: Nach Jahren der Isolation hat das Land nun einen Reformkurs eingeschlagen. Es fanden Wahlen statt, Präsident Thein Sein, ein ehemaliger General, hat politische Gefangene freigelassen. Die Oppositionsikone Aung San Suu Kyi hat nun nach fast zwei Jahrzehnten unter Hausarrest einen Sitz im Parlament. Im Gegenzug haben internationale Gläubiger Schulden in Milliardenhöhe erlassen, die Sanktionen wurden von den USA gelockert und von der EU ausgesetzt, bald könnten sie ganz fallen.
Rohstoffe und Nachholbedarf
Damit öffnet sich ein weites Feld für Investoren: Myanmar besitzt reiche Vorkommen an Erdgas, Edelsteinen und Jade. Zudem besteht in dem armen 60-Millionen-Einwohner-Land ein enormer Bedarf: Nicht einmal 10 Prozent der Bevölkerung besitzen ein Mobiltelefon, in vielen Landesgegenden gibt es keinen Strom, viele Bauern bearbeiten noch immer mit Ochsenkarren ihre Felder und es fehlt an ausgebildeten Leuten.
Die Geschäfte zwischen Myanmar und Österreich müssen aber erst in Schwung kommen. Der bilaterale Handel macht derzeit lediglich etwa 20 Millionen Euro aus, doch manche Geschäfte laufen auch über Singapur. Und die einzige österreichische Firma, die während der Militärherrschaft eine Produktionsstätte unterhielt, war der Miederwarenhersteller Anita. Das sei möglich gewesen, weil die Sanktionen der EU im Textilbereich nicht so streng wie die der USA waren, "sodass wir nach Europa exportieren konnten", sagt Stephan Seidel, der die Produktion in Rangun leitet.
Hier arbeiten in einem hell erleuchteten, klimatisierten Raum, durch den das Tackern der Nähmaschinen hallt, mehrere Dutzend Frauen. 44 Stunden die Woche beträgt die Arbeitszeit, die Angestellten verdienen zwischen 60 und 100 US-Dollar und liegen damit im guten Landesdurchschnitt. Zudem kommt die Firma laut Seidel auch für die medizinische Versorgung der Beschäftigten - je nach Auftragslage sind es zwischen 200 und 300 - auf.
"Mit dem Wegfall der Sanktionen wird es für uns kurzfristig schwieriger werden", sagt der Manager. Neue Konkurrenz werde ins Land strömen und Arbeiterinnen, die bei Anita ausgebildet wurden, abwerben.
China ist schon lange da
Leicht wird es aber auch nicht für diejenigen werden, die nun in Myanmar einsteigen wollen. Noch immer herrscht viel Rechtsunsicherheit, so existiert etwa auf dem Papier eines der liberalsten Investitionsgesetze in der Region, aber bei der Umsetzung halten sich die Beamten oft noch immer an alte Vorschriften, berichtet ein Anwalt. Zudem herrscht ein harter Wettbewerb: Wirtschaftsdelegationen aus allen möglichen Ländern geben sich derzeit die Türklinke in die Hand.
Die Großprojekte sind ohnehin nichts für die Österreicher, die Autobahnen etwa bauen schon längst die Chinesen, die schon während der Sanktionszeit kräftig in dem Nachbarland investiert haben. Die Chance für die Österreicher liegen - wie in vielen anderen Ländern auch - vielmehr in den hochspezialisierten Bereichen.
Speichern der Regenzeit?
Ein Beispiel dafür ist die Voitsberger Firma Bauer, die dem Landwirtschaftsministerium in Myanmar ihre Anlagen angeboten hat. Diese sorgen für künstliche Beregnung. Dafür werden Parameter wie bisheriger Niederschlag, Luftfeuchtigkeit oder Temperatur gemessen. So wird die ideale Beregnungsmenge errechnet, die dann wiederum die Bauer-Anlagen über das Feld niedergehen lassen. "In Myanmar herrscht ein Wechselspiel zwischen Regenzeit und trockenen Monaten", sagt Vertriebsleiter Heimo Wiesinger. Mit den Bauer-Anlagen könnte man hier "das Wasser in der Regenzeit speichern und in den trockenen Monaten verwenden". Der Landwirtschaftsminister möchte nun die Geräte auf einer Probefläche testen.
Auch für andere Österreicher bieten sich Chancen: Andritz Hydro will den Modernisierungsbedarf von Wasserkraftwerken erheben, die Fachhochschule Krems wird mit Partnern aus Myanmar einen Tourismus-Lehrgang ausarbeiten. Und die Firma Pewag bietet Reifenschutzketten für Fahrzeuge an, die in Minen oder Zementanlagen zum Einsatz kommen.
"Natürlich wollen wir etwas verdienen", sagt WKO-Präsident Leitl. "Aber wir sind keine quick-casher, sondern nachhaltige Investoren." Dies habe er auch bei einem Gespräch Staatspräsident Thein Sein erklärt. Leitl hat dabei auch Vorschläge und Angebote von österreichischen Firmen unterbreitet. Thein Sein wird dann im März auf Staatsbesuch nach Wien kommen, dabei sollen die Angebote der Österreicher konkretisiert werden.
Doch Abschlüsse müssen großteils erst unter Dach und Fach gebracht werden. Und auch in den Bereichen, in denen die Österreicher tätig sind, reichen die Mitbewerber oft von Deutschland bis nach China. Das Match um Myanmar ist gerade erst eröffnet.