Finanzausgleich: Städte wollen für Aufgaben bezahlt werden, Länder benötigen Finanzierung.
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Wien. Die Finanzausgleichsverhandlungen mit Bund und Länder befinden sich "in der heißen Phase". Ein Grund für die Vertreter der größeren Städte und Gemeinden rund um Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), auf ihre wichtigsten Forderungen aufmerksam zu machen - zumal der neue Finanzausgleich bis Ende des Jahres unter Dach und Fach sein muss: erstens die Umsetzung eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs - was eine komplette Systemumstellung darstellen würde, die nicht allen Ländern recht ist. Zweitens die Absicherung sowie die Anhebung der Grundsteuer, die Häupl wegen der seit Jahrzehnten nicht mehr angepassten Immobilienwerte von Verfassungswidrigkeit bedroht sieht.
Und drittens der Zugang der Städte und Gemeinden zur Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA). Denn bisher ist es nur dem Bund und den Ländern vorbehalten, über die ÖBFA zu günstigen Finanzierungen zu kommen - so auch der Bundeshauptstadt, die sowohl Stadt als auch Land ist. Laut dem St. Pöltener Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) würden sich die Länder rund 45 Millionen Euro durch die ÖBFA pro Jahr ersparen. Das Einsparungspotenzial der Gemeinden würde sich hier auf rund 80 Millionen Euro belaufen.
Aber zurück zur Aufgabenorientierung: Der bestehende Finanzausgleich ist ein komplexes, über Jahrzehnte gewachsenes Konstrukt. Viele Finanzierungen von Leistungen erfolgen über Doppelfinanzierungen von Gemeinden und Ländern, sie werden über Umlagen und Vorwegabzüge durch die Länder einbehalten. Geht es nun nach den Städten und Gemeinden, sollte künftig die Finanzierung direkt vom Bund an die Erbringer der entsprechenden Leistung erfolgen, sprich an die Städte und Gemeinden.
Machtverlust der Länder
Das sei laut Häupl insoferne nur fair, da etwa Wien viele Leistungen auch für das Umland erbringen würde. Als Beispiele nannte er die 265.000 Menschen, die täglich nach Wien einpendeln würden und entsprechende Infrastrukturelle Leistungen der Stadt in Anspruch nehmen.
Außerdem versorge Wien 190.000 Studenten, die nicht aus Wien stammen. Auch 20 Prozent der Patienten in den Wiener Spitäler würden aus anderen Bundesländern kommen, "aber zahlen tut’s trotzdem Wien", so der Wiener Bürgermeister.
Ob es wirklich zu dem aufgabenorientierten Finanzausgleich kommen wird, ist aber fraglich, wie aus Insiderkreisen zu erfahren ist. Immerhin würde es sich um eine komplette Systemumstellung handeln, die bis zum Jahresende kaum zu bewerkstelligen wäre. Außerdem seien die Länder an einer Ausgabenorientierung nicht interessiert, weil sie auf einen Schlag das Geld verlieren würden, das sie derzeit von den Gemeinden abkassieren können, heißt es.
Stadler verdeutlichte das anhand einer Rechnung: "Die Städte und Gemeinden zahlen an Umlagen und Transfers 2,8 Milliarden Euro ein und bekommen 1,6 Milliarden Euro an Bedarfszuweisungen zurück." Und das obwohl die Städte immer mehr Leistungen erbringen, so Stadler. Vermutet wird jedenfalls, dass es in Sachen Aufgabenorientierung zu einem "Misch-Ergebnis" kommen wird - also partielle Lösungen etwa im Bereich der Kinderbetreuung oder Kultur - sogenannte zentralörtliche Funktionen.
Neuer Anlauf bei Grundsteuer
Was die Grundsteuer betrifft, so befürchtet Häupl, dass ihr dasselbe Schicksal wie der Getränkesteuer ereilen könnte, die 2010 vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Würde die Grundsteuer kippen, könnte das alleine Wien 110 Millionen Euro kosten, erklärte Finanzstadträtin Renate Brauner. Abgesehen davon sei die Grundsteuer seit 1983 nicht mehr angepasst worden. "Für ein Reihenhaus mit 500 Quadratmeter bezahlt man heute 38 Euro Grundsteuer - pro Jahr", kritisierte Häupl. Brauner pocht nun auf eine Neuberechnung der seit 1972 nicht mehr angepassten Immobilien-Einheitswerte oder zumindest auf eine Anhebung der "Hebesätze" für die Steuerbemessung um ein Drittel bis die Hälfte. Auch eine Indexanpassung wäre für Brauner vorstellbar. Der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart (ÖVP) drängte ebenso auf eine Valorisierung der Grundsteuereinnahmen.