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Die Auswahl muss schwer gewesen sein. Ruhe ist ja heutzutage fast so schwer zu bekommen wie ein gutes Schwarzbrot. Am Freitag wurde der "Zwangsbeschaller des Jahres" gekürt. Nein, das ist nicht der Kollege, der Ihnen jedes Mal in der Kaffeepause das Ohr wegschnattert. Das ist eine ernst zu nehmende Negativauszeichnung. (Gibt es nicht langsam mehr Negativauszeichnungen als Positivauszeichnungen? Wann wird endlich wieder das Rosa Handtaschl vergeben? Gibt es schon das Unlebensmittel des Jahres?) Dafür wurde nun schon zum sechsten Mal in rund hundert Geschäften in ganz Österreich die Lärmbelastung gemessen. Den Titel "Zwangsbeschaller" holte ein Schmuckgeschäft auf der Mariahilfer Straße, bei dem so laut Musik gespielt wird, dass es dem Lärmaufkommen einer Kreissäge gleichkommt. Welche Musik das ist, sozusagen die Playlist of Modeschmuck-Shame, wurde nicht bekanntgemacht.
Aber höchstwahrscheinlich ist auch ab und zu ein Lionel Richie dabei. Eine US-Künstlerin hat es hingegen geschafft, mit Lionel-
Richie-Songs die Straßen von Milwaukee zu beschallen - ohne dass man einen Ton hört. Sie hat ausrangiertes Mobiliar, das als Sperrmüll vor den Häusern oder Gärten gelandet ist, in einer Guerilla-Aktion mit Songzitaten von Richie bestickt. Eine Couch bekam ein melancholisches "I’m leaving" verpasst und eine Matratze ein kesses "All night long".
Die Ohrwurmgefahr ist da übrigens trotzdem gegeben. Aber man gefährdet seine Sinnesorgane nicht. Es droht nur der Mundwinkel zu verrutschen. Nach oben.