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Matteo Renzi - Antithese zu Roms Apparatschiks

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

Innerhalb der Linken ist der 38-jährige Ex-Christdemokrat nicht unumstritten.


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Rom. Wenn die Italiener ihren größten Feind benennen sollten, dann gäbe es kaum Zweifel. Sie hassen den politischen Apparat, der das Land seit Jahrzehnten miserabel verwaltet. Wer sich also als Gegner dieses verstaubten und um sich selbst kreisenden Kosmos inszeniert, der hat gute Chancen bei den Wählern. Silvio Berlusconi ist der Großmeister dieser Kunst. Erfolg hat in dieser Disziplin auch Beppe Grillo, der Komiker und Chef der 5-Sterne-Bewegung.

Jetzt kommt Matteo Renzi. An diesem Sonntag bestimmen die Wähler des Mitte-Links-Lagers den Vorsitzenden der Demokratischen Partei (PD) in Italien. Renzi gilt, nachdem er vor einem Jahr noch unterlegen war, als sicherer Sieger unter drei Kandidaten. Gianni Cuperlo ist der Mann des Apparats, Pippo Civati ist vielen zu links. Deshalb wird Renzi, der dynamisch und unverbraucht wirkende Bürgermeister von Florenz, wohl gewinnen.

Seine Stärke sind deutliche, im flotten Florentiner Dialekt vorgetragene Worte. Renzi kann auch Wähler aus dem konservativen Spektrum für sich begeistern. "Italiens Tony Blair", schreiben manche über den ehemaligen Pfadfinder, andere erkennen in seinen testosterongeschwängerten Auftritten einen "kleinen Berlusconi". In den Umfragen zu den Vorwahlen liegt Renzi deutlich vorne. Er ist 38 Jahre alt. Von Montag an könnte er der neue starke Mann der italienischen Politik sein.

Die PD stellt mit Enrico Letta den Ministerpräsidenten. Bislang war die Regierung vom politischen Würgegriff Silvio Berlusconis blockiert, nach dessen Ausscheiden zeichnen sich neue Möglichkeiten für die Exekutive ab. "Bislang hat die Regierung in den wichtigen Fragen kaum etwas bewegt", behauptet Renzi und drängt seinen Parteifreund Letta zu Taten. Viele Beobachter sind sich sicher, der populäre und auffallend selbstbewusste Renzi habe es selbst auf den Posten des Ministerpräsidenten abgesehen.

Zwar sind die Machtverhältnisse nach dem Wechsel der Berlusconi-Partei "Forza Italia" in die Opposition eindeutiger. Die PD regiert nun mit der neuen Mitte-Rechts-Partei (Ncd) um den Vize-Premier und Ex-Berlusconi-Verbündeten Angelino Alfano, die am Samstag in Rom ihren Gründungsparteitag abhält. Renzis Wahl zum PD-Parteivorsitzenden dürfte aber für neue Spannungen sorgen.

Lackmustest mit Hürden

Der Bürgermeister eroberte die nationale Bühne mit dem Slogan, die alte Politiker-Generation zu "verschrotten". Jetzt steht er erstmals in der Verantwortung und muss als Chef der größten Partei Italiens selbst Ergebnisse vorweisen. Dabei gilt es nicht nur die Koalitionspartner um Innenminister Alfano einzubinden, die sich mit dem Lieblingsthema Berlusconis, einer Justizreform, profilieren wollen. So beliebt Renzi bei den Wählern ist, er bleibt vor allem Anfeindungen aus dem eigenen Lager ausgesetzt.

Das hat mit seiner Vergangenheit als Christdemokrat, seinem geringen Respekt für die Parteigranden, aber auch mit seinen politischen Vorschlägen zu tun. Renzi hat versprochen die Kosten des Parlaments um eine Milliarde Euro zu reduzieren, eine neue Arbeitsmarktreform vorzulegen und die von der EU festgelegten Regeln zur Neuverschuldung zu verhandeln. Dass er verspricht, den Einfluss der Gewerkschaften einzudämmen und zunächst keine Vermögenssteuer einzuführen, macht ihn bei einigen Parteigranden zum roten Tuch.

Seit ihrer Gründung 2007 reibt sich die PD in Flügelkämpfen zwischen Konservativen und Sozialisten auf. Die Frage ist, ob sich Renzi in die Phalanx der in internen Kämpfen aufgebrauchten Parteichefs wie Romano Prodi, Walter Veltroni und Pierluigi Bersani einreihen muss. Oder ob die Partei inzwischen zu einem Kompromiss findet: einen unkonventionellen Chef ohne Stallgeruch zu dulden, aber damit das Image des ewigen Verlierers abzulegen.