Schule versucht mit neuem Direktor das Getto-Stigma loszuwerden.
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Wien. Kinder jedes Alters laufen durch das Gebäude, rempeln sich im engen Stiegenhaus an und stehen auf den Gängen in Grüppchen zusammen. Die Schulglocke läutet zum nächsten Unterricht. Kurze Zeit später sind alle Kinder in den Klassen verschwunden. Im Gebäude ist es nun ruhig. Direktor Alf Mathuber hat sein Büro unter dem Dach im vierten Stock. Seit September ist er der Leiter der privaten "Austrian International Schools" in Floridsdorf, die bis vor zwei Jahren als "Al-Azhar International Schools" bekannt war. Kindergarten, Volksschule, Hort, Neue Mittelschule und Oberstufenrealgymnasium befinden sich unter einem Dach im 21. Bezirk.
In der Oberstufe wird Arabisch als Wahlpflichtfach angeboten. Bald sollen die Schüler in diesem Fach auch maturieren können. Damit wären die Austrian International Schools die erste AHS in Österreich mit diesem Angebot. "Da müssen wir aber noch einige Hürden überwinden", meint Mathuber. Momentan gebe es nämlich noch keinen Lehrplan für das Fach Arabisch. "Der Lehrplan wird von der Universität Wien gemacht und wenn es keinen Lehrplan gibt, darf nach österreichischem Recht nicht maturiert werden", erklärt Mathuber. Er geht jedoch davon aus, dass jene Schüler, die im Herbst mit der fünften Klasse beginnen, drei Jahre später ihre Reifeprüfung in Arabisch ablegen werden können.
Die meisten Schüler wollen eine österreichische Matura
Für die Schüler wäre es wichtig, im Fach Arabisch zu maturieren, ist Golriz Gilak überzeugt. Gilak stammt aus dem Iran und ist Französischlehrerin am Oberstufenrealgymnasium der Austrian International Schools. "Ich hätte mir auch gewünscht, dass meine Muttersprache in Österreich maturabel wäre. Dann hätte ich jetzt meine Kenntnisse schwarz auf weiß bestätigt", sagt die persischsprachige Lehrerin.
Arabischsprachige Länder seien in den vergangenen Jahren immer wichtiger für Österreichs Wirtschaft geworden. Aus diesem Grund wäre es für die Schüler von Vorteil, das Wahlpflichtfach Arabisch mit der Matura abschließen zu können. In der Oberstufe der Austrian International Schools wurde bisher neben dem österreichischen Lehrplan noch ein weiterer Lehrplan angeboten. Der Al-Azhar Lehrplan sah arabisch als Unterrichtssprache vor. Dieses Jahr wird die letzte Klasse ihren Abschluss nach diesem Lehrplan machen. Die Schüler, die nach dem Al-Azhar Lehrplan unterrichtet wurden, machten ihren Abschluss bisher an der ägyptischen Al-Azhar Universität in Kairo.
Aufgrund der Unruhen in Ägypten finden die Abschlussprüfungen laut Mathuber heuer an der libyschen Schule in Wien statt. Der Vertrag mit der Al-Azhar Universität läuft dieses Jahr aus und wird nicht verlängert. "Wir haben sehr wenig Nachfrage nach so einer Matura. Die meisten Schüler wollen eine österreichische Matura haben, da sie auch hier geboren wurden", erklärt Lehrerin Gilak.
Der Name der Schulen wurde bereits vor zwei Jahren von "Al-Azhar International Schools" in "Austrian International Schools" geändert. Mathuber möchte die Schule auch nicht als islamische Privatschule bezeichnen: "Wir sind eine internationale Schule, keine islamische Schule." Neben dem islamischen gibt es auch einen katholischen Religionsunterricht. Die "Austrian International Schools" besitzen Öffentlichkeitsrecht. Der Besuch der Privatschule kostet im Semester 820 Euro.
In der Vergangenheit geriet die Schule unter Kritik als der Stadtschulrat im Jahr 2006 schulrechtliche Mängel feststellte: Manche Lehrende hätten keine Arbeitsbewilligung gehabt und Pflichtfächer seien teilweise auf Arabisch unterrichtet worden.
Doch diese Zeiten seien vorbei: "Unsere Aufgabe ist es nach vorne zu schauen", sagt Gilak. Sie möchte, dass die Stigmatisierung der Schule endet. Schließlich seien alle Lehrer Absolventen österreichischer Universitäten. Früher habe es keine Repräsentanz nach außen gegeben. "Es war nur bekannt, dass die meisten Schüler islamischen Glaubens sind und da hat man eins und eins zusammengezählt", erklärt Gilak.
Bildung gegen verhärtete Fronten
Unter Direktor Mathuber habe sich einiges geändert. Er bringt Erfahrung mit. 24 Jahre leitete er das Polger Gymnasium. Die Leitung der "Austrian International Schools" ist sein Pensionsprojekt. Die Schule habe eine ganz andere, positive Richtung bekommen und sei offener geworden, meint Gilak. Mathuber meint in Bezug auf die Vorwürfe der Vergangenheit: "Wenn man natürlich eine Schule hat, die abgeschlossen ist, die ein Ghetto ist, dann können solche Sachen passieren."
Nun sollen die Vorteile der "Austrian International Schools" betont werden. Einer davon sind die kleinen Klassen. Im Musikunterricht von Ulf-Dieter Soyka sitzen sechs Mädchen und drei Burschen der fünften Schulstufe. Insgesamt gibt es in der Oberstufe sechs Klassen mit rund 70 Schülern. Soyka fordert seine Schüler auf, zu einem Stück von Richard Strauss zu dirigieren. Die Schüler werfen die Arme in die Luft und folgen damit den Klängen der Musik. Anschließend erklärt der Lehrer, was es mit Musikbearbeitung auf sich hat. Die Kinder hören aufmerksam zu.
"Unsere Schüler werden oft von der Gesellschaft stigmatisiert", meint Gilak. "Dabei sind das total offene Kinder, denen man eine Chance geben kann." Schließlich würden keine Unterschiede zwischen pubertierenden islamisch Gläubigen und katholisch Gläubigen bestehen. "Sie haben die gleichen Probleme und die gleichen Bedürfnisse."
Für Kinder mit österreichischen Wurzel könnte laut Gilak der Besuch an den "Austrian International Schools" eine Bereicherung sein. Die Schüler könnten viel voneinander lernen. "Integration ist kein einseitiger, sondern ein zweiseitiger Prozess", sagt die Lehrerin. Auch Mathuber betont: "Nur Bildung kann diese Fronten, die es zwischen den Kulturen gibt, aufbrechen."