Bosnisch, Serbisch und Kroatisch werden zum Maturafach. | Auch "Beitrag zum sozialen Frieden." | Matura in Türkisch erst, wenn Unis ein Studium für Lehrer anbieten. | Wien. Ab dem kommenden Schuljahr 2011/12 kann an zwei höheren Schulen in Wien - der AHS Henriettenplatz und der Handelsakademie des bfi - Bosnisch-Kroatisch-Serbisch (BKS) als zweite lebende Fremdsprache gewählt werden. Damit ist dann auch eine reguläre Matura in diesem Fach möglich.
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Karl Blüml, Landesschulinspektor für den Bereich Allgemein Bildende Höhere Schulen in Wien, sieht die Berücksichtigung von Sprachen abseits des üblichen Kanons Englisch-Französisch-Italienisch-Spanisch-Russisch vor allem als Aufforderung an die Schüler, "das Potenzial, das sie haben, zu nutzen". "Und wir glauben, es ist auch ein bisschen unser Beitrag zum sozialen Frieden, wenn wir der Sprache der Kinder so Wertschätzung entgegenbringen und sie damit auch in ihrer Identität unterstützen."
Bis jetzt konnte in BKS nur extern die Matura abgelegt werden, dann beispielsweise, wenn der Muttersprachenunterricht besucht wurde oder ein Freifach, und zwar im Ausmaß von zehn Wochenstunden, um die Reifeprüfung in diesem Fach schriftlich abzulegen, sowie acht Wochenstunden für eine mündliche Matura. Immer mehr Schüler haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so Blüml. Zudem gibt es noch die Gruppe jener Jugendlicher, die als Quereinsteiger ins österreichische Schulsystem kommen. Sie müssen Deutsch erst erlernen, oft noch mit Englisch ebenfalls neu beginnen. Ist ein Schuldirektor der Ansicht, dieser Schüler tue sich leichter, würde er als zweite lebende Fremdsprache seine Muttersprache belegen, gebe es hier Sammelkurse.
Pro Jahr legen an den Wiener AHS derzeit rund 30 Schüler eine BKS-Matura extern ab, an die 20 in Ungarisch. Möglich ist dies, weil es hier auch entsprechend in Österreich ausgebildete Lehrer gibt. Türkisch als maturable zweite lebende Fremdsprache kann dagegen derzeit an den Schulen nicht angeboten werden, da es österreichweit keine Lehramtsausbildung gibt. Blüml verweist hier an die Zuständigkeit der Botschaft. Diese müsse beim Unterrichtsministerium Bedarf anmelden, das wiederum mit den Unis in Gespräche tritt. Diese agieren jedoch autonom.
Wichtiger Faktor ist hier die Finanzierung: Ein Lehramtsstudium kommt durch die zusätzliche Didaktik-Ausbildung teurer als ein reines Sprachstudium, das es in Türkisch bereits gibt: Turkologie. Hier kommt die Drittmittelfinanzierung ins Spiel, so Blüml. China etwa finanziert im Rahmen eines Kulturabkommens mit Österreich inzwischen die Sinologie-Lehramtsausbildung, weshalb seit kurzem diese Sprache auch für den Lehrberuf studiert werden kann.
Türkisch in der Warteschleife
Sieht die Türkei hier einen Bedarf? "Ja, das ist uns ein Anliegen", betont dazu Erdem Uysal, Leiter der Abteilung für Bildung an der türkischen Botschaft in Wien. "Wir haben großes Interesse an einem solchen Studium, weil es sind sehr viele türkische Schüler hier, die Türkisch sprechen und die auch in ihrer eigenen Sprache maturieren können sollen." Seit 2006 gebe es konkrete Bemühungen, vor zwei Jahren habe es Gespräche mit der Uni Wien gegeben, vor einem Jahr mit der Uni Graz.
An beiden Unis werden diese Gespräche bestätigt. Während man aber in Wien sagt, dass man noch weit von einem Curriculum entfernt ist, weil noch keine konkreten Zeit- und Umsetzungspläne vorliegen, betont man an der Uni Graz, dass alle Vorbereitungen getroffen wurden, um ein Türkisch-Lehramtsstudium einführen zu können, sobald dafür der Startschuss aus dem Unterrichtsministerium kommt.
Die zuständige Ministerin Claudia Schmied begrüßt grundsätzlich ein Türkisch-Lehramt - und damit in der Folge auch Türkisch-Unterricht an höheren Schulen. Es werde daran gearbeitet und man dürfe sich solch eine Chance auch nicht vergeben, so Schmied. Im Büro der Ministerin hieß es zudem auf Anfrage, de facto seien alle Vorarbeiten für das Lehramtsstudium Türkisch erledigt. Ein genauer Starttermin wird aber noch nicht genannt. Dieser soll im Zug des der "Lehrerausbildung Neu", die derzeit in Ausarbeitung ist, fixiert werden.
Ein anderes schulisches Reformprojekt - die Zentralmatura - bringt eine weitere Möglichkeit, an einer höheren Schule in seiner Muttersprache, so es in dieser ausgebildete AHS-Lehrer gibt, zu maturieren. Wahlpflichtfächer können dann schon ab sechs Wochenstunden als mündlicher Maturagegenstand gewählt werden. Die Zentralmatura startet 2015. Schüler, die nun zum Beispiel die Gymnasien in der Karajangasse, der Vereinsgasse oder das ORG Wien 3 besuchen und das Wahlpflichtfach BKS gewählt haben, könnten von dieser Matura-Möglichkeit bereits Gebrauch machen.
An der HAK des bfi, das BKS ab Herbst neben Französisch und Italienisch als weitere mögliche zweite lebende Fremdsprache anbietet, sah man sich einerseits mit entsprechenden Schüler- und Elternanfragen konfrontiert. Die Leitung der Handelsakademie betont aber auch die wirtschaftliche Kompetente. Österreichische Firmen hätten derzeit in Bosnien, Kroatien und Serbien 1280 Niederlassungen. Und mit einer Zunahme an Wirtschaftstätigkeit vor allem im Bereich von Klein- und Mittelbetrieben sei zu rechnen.