Die Verurteilung Sigrid Maurers wurde aufgehoben, der Prozess wird wiederholt. Beide Parteien zeigen sich siegessicher.
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Wien. Es geht in die zweite Runde: Das Oberlandesgericht Wien (OLG) hat am Dienstag die Verurteilung der Ex-Grünen-Politikerin Sigrid Maurer aufgehoben, das erstinstanzliche Verfahren muss vor einem neuen Strafrichter wiederholt werden. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts "habe kein stimmiges Bild" ergeben, begründete das OLG seine Entscheidung. Beide Parteien gehen davon aus, dass sie den erneuten Rechtsgang für sich entscheiden werden.
Maurer hatte im Mai 2018 obszöne und sexistische Nachrichten, die ihr auf Facebook geschickt worden waren, im Internet verbreitet. Der Verfasser sei der Inhaber eines Wiener Biergeschäfts, an dem sie regelmäßig vorbeigehe, gewesen, schrieb sie. Der Mann bestreitet das. Er erhob gegen Maurer eine Privatanklage wegen übler Nachrede und Kreditschädigung.
Der rechtliche Hintergrund: Wer jemanden beschuldigt, solche Nachrichten geschrieben zu haben, begeht eine üble Nachrede (§ 111 StGB). Allerdings bleibt der Täter dann straffrei, wenn er den Wahrheitsbeweis seiner Behauptung erbringt. Maurer muss im konkreten Fall also beweisen, dass der Mann wirklich die Nachrichten geschrieben hat.
Lebensnähe und Wahrheitsbeweis
Dieser Wahrheitsbeweis sei Maurer nicht gelungen, urteilte das Erstgericht im Oktober 2018. Richter Stefan Apostol verurteilte sie wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe, vom Vorwurf der Kreditschädigung sprach er sie frei. "Sie waren sich sicher, er war es", so Apostol. Doch sei das nicht sicher. Es könnte etwa auch ein Gast des Bierlokals gewesen sein.
Die Nachrichten an Maurer wurden von der Facebook-Seite des Biergeschäfts von einem Desktop-PC, der im Lokal steht, versendet. Der Mann gibt an, die Nachrichten nicht geschrieben zu haben. Wer der Verfasser ist, wisse er nicht. Einer seiner Gäste könnte es gewesen sein, denn jedermann könne seinen Computer, auf dem er ständig in Facebook eingeloggt sei, benutzen.
Das OLG bemängelte die Ansicht des Erstgerichts, wonach Maurer der Wahrheitsbeweis nicht gelungen sei. So habe das Erstgericht "nicht ausreichend gewürdigt, dass die Nachrichten immerhin vom Computer und vom Facebook-Account des Privatanklägers versendet wurden". Auch sei bei der Beurteilung des Wahrheitsbeweises eine "gewisse Lebensnähe" zu beachten.
Das Erstgericht habe "die Latte für den Wahrheitsbeweis geradezu unerreichbar hoch angesetzt", so das Rechtsmittelgericht. Dadurch könnte mit der bloßen Behauptung, andere Personen hätten Zugang zum PC gehabt, der Beweis verunmöglicht werden, "dass doch der Inhaber des Geräts die Mitteilungen versendet hat".
Die Beweiswürdigung habe insgesamt "kein stimmiges Bild ergeben". Der Privatankläger habe "nicht schlüssig darstellen können, dass konkret eine andere Person die Nachrichten geschrieben und verschickt hat". "Alleine die theoretische Möglichkeit reicht nicht aus", betonte das OLG. Zudem sei angesichts der Beweisergebnisse und des konkreten Falls eigentlich nicht vorstellbar, dass "jemand anderer die Nachrichten versendet habe."
Maurer zeigte sich über die Entscheidung "extrem glücklich". Es sei zwar erst ein "Etappensieg". "Ich bin aber zuversichtlich, dass ein Freispruch in zweiter Runde gelingen wird."
"Sehe das keineswegs als Rückschlag"
Die Verhandlung wird nun vor einem neuen Richter wiederholt werden, der die Beweise grundsätzlich noch einmal frei würdigen und darüber urteilen wird. "Bei der Würdigung wird aber auf bestimmte Überlegungen des OLG Wien Bedacht zu nehmen sein. Insofern besteht schon eine Bindungswirkung", meinte Maurers Anwältin, Maria Windhager, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es sei aber noch nichts entschieden: "Es kann sich noch alles Mögliche tun."
"Ich sehe das keineswegs als Rückschlag", sagte Adrian Hollaender, Anwalt des Biergeschäft-Betreibers, zur "Wiener Zeitung". "Das OLG hat weder der Angeklagten noch dem Privatankläger recht gegeben." Es sei noch alles offen. So wie im ersten Rechtsgang werde man auch beim zweiten Prozess die Fakten darlegen, so Hollaender. "Mein Mandant ist zuversichtlich, dass bei den gleichen Fakten das gleiche Ergebnis herauskommen wird, unabhängig davon, wer der Richter ist." Ein Termin für den zweiten Rechtsgang steht noch nicht fest.