Ausnahmen von der Vignettenpflicht in Westösterreich hatten wenig Wirkung auf den Ausweichverkehr. Die Corona-Epidemie relativierte das Ergebnis.
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Die Bewohner in den Grenzgebieten von Kufstein, Bregenz und Salzburg sollten weniger vom Verkehr durch Fahrer belästigt werden, die sich die Kosten der Mautvignette auf der nahen Autobahn sparen wollten. Das war zumindest in der Theorie die Absicht, die hinter der Mautbefreiung für bestimmte grenznahe Autobahnabschnitte zu Deutschland stand.
Deswegen hat der Nationalrat im November 2019 im Schnelltempo eine Ausnahmeregelung beschlossen, um mit einem Wegfall der Vignettenpflicht für die jeweiligen Autobahnabschnitte das Ausweichen auf nicht-mautpflichtige Straßen möglichst zu verhindern. Allerdings hat das nicht so geklappt, wie sich das die Politik zur Entlastung der Anrainer vorgestellt hat. Das geht aus einem Bericht von Infrastruktur- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hervor, den die Grünen-Politikerin dem Nationalrat übermittelt hat. Sie will die Maßnahme verlängert und erneut untersuchen.
Allerdings haben die Ergebnisse einen entscheidenden Haken. Denn wegen der doch deutlich eingeschränkten Mobilität und dem reduzierten Verkehrsaufkommen gerade im Grenzbereich zwischen Österreich und Bayern wegen der Einschränkungen durch die Corona-Epidemie und dem Lockdown ab Mitte März 2021 hat die Aktion nur eine beschränkte Aussagekraft, wie ausdrücklich aufmerksam gemacht wird.
Untersucht wurden die Auswirkungen auf den Verkehr und Folgen für die Umwelt durch die Beseitigung der Vignettenpflicht auf den Autobahnabschnitten auf der A 14 bei Bregenz, auf der Inntalautobahn A 12 bei Kufstein sowie auf der Westautobahn A 1 bei Salzburg und auch in Bau befindliche Abschnitte der Linzer Stadtautobahn A 7. Auf diese Maßnahmen hatten vor allem Landes- und Kommunalpolitiker aus den betroffenen Regionen gedrängt, um die Bevölkerung entlang der Ausweichrouten vom Verkehr der "Mautflüchtlinge" zu entlasten.
Die Prüfung erbrachte interessante Erkenntnisse: Denn die ausgewerteten Daten zeigten für Jänner und Februar des Vorjahres, also für die Zeit vor dem Corona-Lockdown ab Mitte März 2020, in allen drei untersuchten Gebieten an einer Reihe von Stellen, an denen der Verkehr gezählt wurde, Rückgänge des Verkehrsaufkommens auf den Strecken abseits der relevanten Autobahnabschnitte. Noch etwas war aus den Ergebnissen abzulesen: Die stärkste Reduktion des Verkehrs auf den Ausweichstrecken wurde am Wochenende - Freitag, Samstag, Sonntag - im Tourismusverkehr verzeichnet.
Die Entlastung lag nach Schätzungen auf den Landstraßen in Salzburg und Vorarlberg bei sieben bis zwölf Prozent. In Tirol lag die Bandbreite im grenznahen Bereich bei sechs bis sogar 21 Prozent, in Kufstein direkt hingegen nur bis zwei bis sechs Prozent des Verkehrs. Ab März wirkten sich dann allerdings die Verkehrseinschränkungen durch die Corona-Maßnahmen aus, sodass die Untersuchung als nicht repräsentativ gewertet wurde.
Kaum Umwelt- und Lärmentlastung
Die vom Nationalrat im Herbst 2019 beschlossene Befreiung von der Vignettenpflicht erhielt aber einen deutlichen Dämpfer. Das betraf die Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt, die ebenfalls Teil des vom Parlament geforderten Berichts sein sollte.
Demnach zeigte die Ausnahme von der Vignettenpflicht auf den Streckenabschnitten in Westösterreich entlang der Landstraßen keine Reduktion der Luftverschmutzung und auch nicht der Lärmbelastung in einem bedeutenden Ausmaß. Jedoch musste auch diesbezüglich von den Prüfern eingeschränkt werden, dass die Datenlage diese Effekte nicht eindeutig betrachten konnte.
Eindeutiger zu berechnen waren die Folgen oder besser gesagt der Schaden der Maßnahme für die Autobahnbetreiber-Gesellschaft Asfinag. Auf Basis der Daten von Jänner und Februar 2020 wurden Einnahmenverluste beim Vignettenverkauf von mindestens 14 Millionen Euro errechnet, wird im Bericht der Infrastrukturministerin angeführt.
Sollte die Befreiung von der Autobahnmaut noch bekannter werden, könnten es in den kommenden Jahren knapp 19 Millionen Euro und sogar bis zu 23,5 Millionen Euro sein, die an Einnahmen durch die Vignette wegfallen, wurde von der Asfinag errechnet. Die Auswirkungen auf die Mauteinnahmen hat die Asfinag unter Berücksichtigung des Bekanntheitsgrades der Vignettenbefreiung auf Basis der Daten für Jänner und Februar 2020 errechnet.
Das Gesamtfazit der Gutachter besagt, dass die Befreiung von der Vignettenpflicht vor allem wegen der ausgebliebenen Umwelteffekte ihren Sinn nicht erfüllt habe. Die Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg, die zu Stellungnahmen eingeladen waren, konnten allerdings diese Schlussfolgerungen nicht nachvollziehen.
Gewesslers Ministeriums kam zum Schluss, dass die Ergebnisse wegen der Corona-Maßnahmen nur beschränkt aussagekräftig seien. Deswegen wird dem Parlament empfohlen, die Vignettenbefreiung unverändert beizubehalten und eine neuerliche Bewertung vorzunehmen.