Ein echtes Ausseer Dirndl ohne handbedrucktes Seidentuch ist fast undenkbar - sogar bei hochsommerlichen Temperaturen wird es getragen (dafür lassen die Damen dann die Dirndlbluse weg). Doch die Kunst des Druckens auf edle Seide ist heute nur mehr wenig verbreitet. Martina Reischauer aus Bad Aussee arbeitet jedoch mittlerweile fleißig daran, den Seidenhanddruck wieder populär zu machen.
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Die erste Handdruckerei habe Anna Mautner bereits kurz vor 1930 in Grundlsee gegründet, erzählt Reischauer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". In den Kriegsjahren musste die Familie jedoch emigrieren und die Werkstätte schließen. Anna Mautner kehrte 1946 wieder nach Grundlsee zurück und nahm bereits 1947 das Seidendrucken wieder auf. Doch Mitte der 50er Jahre sah es so aus, als ob die Kunst des Seidendrucks aussterben würde - Anna Mautner war gestorben, und es gab keinen Nachfolger für die Werkstatt.
Anfang der 60er Jahre schließlich ließ sich die ehemalige Mautner-Mitarbeitern Maria Prisching, die Mutter von Martina Reischauer, dazu überreden, den Seidenhanddruck wieder aufleben zu lassen. Gemeinsam mit ihrem Mann Josef entwickelte sie das Druckverfahren weiter und verfeinerte die Technik. Besonderen Wert legte sie auf die Farbzusammenstellungen, und ihre Seidentücher, Dirndlschürzen und "Bindln" (der "Halsschmuck" für den Herrn) waren bald weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Aber auch bedrucktes Bauernleinen in Form von Tischtüchern, Vorhängen und Deckerln zierte manches Heim - nicht nur im Ausseerland. Doch 1984 drohte erneut das Aus für den Ausseer Seidenhanddruck - das Ehepaar Prisching ging in Pension, und keines ihrer drei Kinder wollte das Kunstgewerbe weiterführen.
"Ich habe zwar ein Jahr mitgearbeitet, aber keinen einzigen Druck gemacht. Die Werkstatt war mein erklärter Feind, denn die Eltern standen den ganzen Tag drinnen und haben gearbeitet - da blieb nicht viel Zeit für uns Kinder", erinnert sich Reischauer. Sie selbst wollte weg und ging nach Bad Ischl an die Höhere Lehranstalt für Frauenberufe. Später arbeitete sie als Wirtschaftsassistentin in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und kam dabei in ganz Österreich herum. Nach der Weiterbildung zur Erzieherin arbeitete sie vier Jahre lang mit Kindern, um schließlich als Verkaufsleiterin in einer Wiener Bank zu landen. "Der Wiener Stau hat mir dann aber nach zwei Jahren gereicht. Und außerdem wollte mich mein Freund, der mittlerweile mein Mann ist, auch wieder gerne in Bad Aussee haben", schildert sie ihre Beweggründe, letztendlich doch in die Heimat zurückzukehren. Und kaum war sie daheim, beschloss sie, die Kunst des Seidenhanddruckes wieder aufleben zu lassen: "Ich hatte zwar vorher noch nie ein Model in der Hand, aber ich war wild entschlossen, das zu machen!" Im Jänner 1996 probierte sie mit der Unterstützung ihrer Mutter, die ersten Seidentücher zu drucken. Und bereits im Juli desselben Jahres gab es die erste Vernissage in Bad Aussee, die ein riesiger Erfolg wurde.
Heute produziert sie zu 90% auf Bestellung, einige Stücke gibt es in ihrem kleinen Verkaufsraum zu erstehen. Ihre Kundinnen und Kunden müssen mitunter Wartezeiten bis zu einem Jahr in Kauf nehmen, doch das täten sie gerne, sagt Reischauer. In der kleinen Werkstätte sind schließlich nur zwei Druckerinnen und eine Näherin beschäftigt, "da geht eben nicht mehr". Schließlich erhalte jeder ein genau auf den Träger abgestimmtes Stück. Das Mautner Druckverfahren erfordert bis zu 28 Arbeitsgänge: Die Vorbehandlung der Seide, der Unter- und der Farbdruck, Entwicklungs- und Fixiervorgänge, die Überfärbung, Bügeln und Fransen zupfen oder rollieren - erst dann ist ein echtes Mautner Seidentuch fertig. Martina Reischauer's Werkstätte ist übrigens die einzige, die nur Pflanzenfarben verwendet und die Muster, die von Modelstechern in Holz- oder Messingmodeln gestochen wurden, mit einem Hammer in die Seide klopft. Jedes Stück, das die Druckerei verlässt, ist daher ein Unikat.
Nachdem ihr Farben und Muster schon öfter abgekupfert wurden, wird heute jedes Stück signiert. Doch trotz vieler Schwierigkeiten und unzähliger Kopien im Handel hat sie nicht aufgegeben, und heute ist der "Mautner Handdruck" wieder so bekannt wie damals unter seiner Gründerin.
Größer soll das Geschäft nicht werden, betont Reischauer. Sie will weiterhin limitierte Auflagen herstellen und "klein und fein" bleiben, um den Markt nicht zu überschwemmen. Im Mai dieses Jahres hat sie sich entschlossen, auch für den Wiederverkauf über Händler zu produzieren, aber "nur für ausgewählte": "Wenn unser Mautner Handdruck im Supermarkt neben dem Klopapier zu finden ist, ist das für das Image sicher nicht besonders förderlich."
Die Saison für ihr Geschäft beginnt im Frühjahr - Kommunionskinder und Hochzeitspaare wollen ausgestattet werden. Im Sommer kommen die Touristen, die ungern ohne ein Ausseer Dirndl mit einem Mautner Seidentuch wegfahren wollen. Im Herbst und Winter kann sie endlich das aufarbeiten, wofür vorher keine Zeit war. Da hat dann auch ihr zweijähriger Sohn Max mehr von ihr: "Früher ist es manchmal passiert, dass er die Kunden aus der Werkstatt einfach hinauskomplimentiert hat, weil er wollte, dass ich meine Zeit ihm widme", lacht sie. Heute ist er vormittags bei einer Tagesmutter, damit seine Mutter ungestört ihre Kunden beraten kann: "Und die sind immer noch alle glücklich und zufrieden bei der Tür hinausgegangen!"