Ein Mondkrater, die Hellgasse in Ottakring und das Hell-Tor am Wiener Universitätscampus erinnern an den österreichischen Himmelsforscher, der vor 300 Jahren geboren wurde.
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In der Bergbaustadt Schemnitz (heute Banská Štiavnica und zur Slowakei gehörend) am 15. Mai 1720 als Sohn eines "Oberkunstmeisters über alle Wassermaschinen" geboren, kommt Maximilian Hell schon früh mit technischen Innovationen in Berührung. Sein Bruder Karl wird später denselben beruflichen Weg wie der Vater einschlagen und eine Wasserpumpe konstruieren. Sie kommt auch im Schwarzenbergischen Gartenpalais in Wien zum Einsatz.
Zunächst besucht der junge Hell das Jesuitengymnasium seiner Heimatstadt und im benachbarten Neusohl. Dann entschließt er sich zum Ordenseintritt am Jesuitenkolleg im slowakischen Trentschin. Nach Ablegung der Ordensgelübde studiert er Theologie und Philosophie an der Universität Wien und wird hier 1751 zum Priester geweiht. Unter der Leitung des Ordenskollegen Pater Joseph Franz, der seine weitere wissenschaftliche Entwicklung prägt, richtet Hell ein Labor für Experimentalphysik ein: Es ergänzt das schon länger am Kolleg bestehende Mathematische Museum. Er repariert Erd- und Himmelsgloben, fertigt aber auch eigene Sonnen- und Wasseruhren an.
Neue Sternwarten
Entscheidende Impulse für seine astronomische Karriere erhält er als Gehilfe am 1733 errichteten "Sternguggthurm" des Jesuitenkollegs. Hier zählt neben Hells Mentor Pater Joseph Franz auch der Numismatiker Erasmus Fröhlich zu seinen Förderern. Durch das Wiener Vorbild angeregt und mit Hells Hilfe erfolgen mehrere Sternwartegründungen in den Habsburgischen Erblanden: Zunächst in Tyrnau (heute Slowakei), dann in Klausenburg (heute Rumänien) und später in Eger (Ungarn): Hier findet sich noch heute ein astronomisches Museum mit einer Camera obscura.
Wieder nach Wien zurückgekehrt, unterrichtet Hell junge Adelsmänner im Bergbaurecht. Das verschafft ihm die Gunst Kaiserin Maria Theresias. Aufgrund seiner vielfachen Fähigkeiten wird er 1755 - nach dem Tod des Hofmathematikers Johann Jakob Marinoni - als Direktor der Universitätssternwarte berufen. Sie muss allerdings noch errichtet werden. Marinoni hatte sich mit Genehmigung Karls VI. schon zuvor ein eigenes Privatobservatorium auf der Mölkerbastei erbaut. Mit Marinonis testamentarischem Instrumentennachlass lässt die Kaiserin die neue Sternwarte auf dem Dach der Alten Universität Wien errichten, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Jesuitenkirche und Jesuitenkolleg.
Die Sternwarte soll die Instrumentensammlung laufend modernisieren, Kalender drucken, die Bevölkerung zu Beobachtungen heranziehen und ihre wissenschaftlichen Observationen jährlich in den "Ephemerides Astronomicae ad meridianum Vindobonensem" publizieren. Diese Veröffentlichungsreihe in lateinischer Sprache dient als Plattform für den internationalen Wissensaustausch.
Neben Informationen zu trigonometrischen Vermessungen, wie man sie zur Kartierung auf Erden benötigt, werden auch neueste Instrumentenerfindungen kundgetan. Sogar die Beobachtungen der Jesuitenmissionare an der Sternwarte in Peking finden sich darin - was die globale Reichweite dieser neuen Reihe erkennen lässt. Hell gelingt damit eine wahre Pionierleistung, denn nur die Pariser Sternwarte hat bisher as-tronomische Jahrbücher veröffentlicht; Greenwich wird erst ein Jahrzehnt später nachfolgen. Unterstützung erhält Hell bei seiner Herausgebertätigkeit von seinem Ordenskollegen Franz de Paula Triesnecker.
Zu den Mitarbeitern zählt auch der Jesuit Freiherr Ignaz von Metzburg. Er zeichnet anhand der Triangulationsergebnisse die erste "Post-Charte" der Habsburgischen Erblande. Sie findet weite Verbreitung. Die hier eingetragenen Poststationen sind ein frühes Zeugnis der modernen Mobilität. Als treuer Weggefährte Hells erweist sich Franz Anton Pilgram. Dieser Pionier der Meteorologie führt "Witterungsmessungen" durch. Sogar eine frühe "Tochter der Urania", die Baronin Elisabeth von Matt, wird an der Alten Wiener Universitätssternwarte Privatunterricht von Jesuiten erhalten.
Venus in Norwegen
Endgültig zu internationalem Ruhm verhilft Hell ein höchst seltenes astronomisches Großereignis: der Venusdurchgang vor der Sonne am 3. Juni 1769. Der Dänenkönig Christian VII. lädt Hell zur Beobachtung auf die Eismeerinsel Vardø in Norwegen ein.
Als Reisegefährte fungiert der ungarische Jesuit Johann Sainovics, ein Vordenker Newtons und Einsteins. Die strapaziöse Reise führt die Ordensbrüder über Ungarn quer durch Deutschland in den hohen Norden. Im Reisetagebuch finden sich neben Berichten über das Nordlicht auch zahlreiche kulturhistorisch interessante Betrachtungen, etwa über Flora und Fauna der bereisten Länder oder über Kleidungsvorschriften. Auch ethnologische Bemerkungen zur Kultur der Lappen liest man hier. Gemeinsam mit Sainovic entdeckt Hell außerdem die finno-ugrische Sprachverwandtschaft.
Der Venustransit wird rund um den Erdball von zahlreichen Stationen aus beobachtet: von Kalifornien über Indien bis Tahiti, wohin James Cook gesegelt ist. Das internationale Projekt erlaubt es, den Erdabstand zur Sonne abzustecken - eine fundamentale Größe in der Astronomie.
Die strapaziöse Rückreise nimmt wiederum Monate in Anspruch. Das verzögert die Drucklegung von Hells Beobachtungen und führt in der Gelehrtenwelt zu Spekulationen: Hell habe seine Aufzeichnungen nachträglich manipuliert, heißt es. An der Pariser Akademie kristallisiert sich der französische Gelehrte Jérôme de Lalande als größter Gegenspieler Hells heraus. Hells spätere Nachfolger an der Universitätssternwarte, Joseph Johann von Littrow und dessen Sohn Carl Ludwig, werden ähnliche Vorwürfe erheben. Erst 1883 widerlegt der US-Astronom Simon Newcomb die Anschuldigungen: Ursache für das Fehlurteil der Littrows war letztlich deren Rot-Grün-Farbenblindheit.
Als kritischer Zeitgenosse trägt Hell seine Dispute gern vor Publikum über das 1703 gegründete "Wienerische Diarium", den Vorläufer der "Wiener Zeitung", aus. Dabei geht es nicht nur um seine Reiseaufzeichnungen, sondern auch um die angebliche Heilkraft des Magnetismus. Hell hat für den Wunderheiler Franz Anton Mesner einen eigenen "Stahlmagneten" konstruiert. Man ist sich uneins, ob die Konstruktion oder die Art der Anwendung zur Heilung führen soll. Auch mit dem Mannheimer Astronomen Christian Mayer gerät Hell in Zwist.
Harmonisch gestalten sich seine ordensübergreifenden Verbindungen zu Benediktinern. Diese erweisen sich auch als eifrige Astronomen, wie der Sternwarteturm und "barocke Wolkenkratzer" des Stifts Kremsmünster bezeugt. Mit dem dortigen Abt Placidus Fixlmillner, der auch komponiert, steht Hell in regem Briefwechsel.
Nach Aufhebung des Jesuitenordens verbringt Hell seinen Lebensabend in bescheidenen Verhältnissen. Die Drucklegung der Ergebnisse seiner Vardø-Expedition kann nicht umgesetzt werden. Der Gründungsversuch einer Akademie der Wissenschaften scheitert: Hells vielfältige Kontakte zu freimaurerischen Kreisen sind eine mögliche Erklärung dafür, dass er plötzlich die Huld des Kaiserhofs verliert.
Davon erzählt das sogenannte "Kaiserbild" im Stiegenaufgang des Naturhistorischen Museums in Wien: Kaiserin Maria Theresia hat es 1773, im Jahr der Aufhebung des Jesuitenordens, in Auftrag gegeben. Es zeigt ihren Gemahl Franz Stephan von Lothringen im Kreis seiner wissenschaftlichen Kabinettsleiter. Bei Röntgenuntersuchungen stellte sich heraus, dass einige Personen übermalt worden sind. Dazu zählen, wie an der Ordenstracht erkennbar, zwei Jesuiten. Einer dürfte Maximilian Hell gewesen sein.
Die letzten Lebensjahre gestalten sich besonders schwierig: Mehrfache untertänige Bittgesuche um Pensionierung bleiben erfolglos. Dabei hatte Hell eine gut dotierte Pension des Dänenkönigs ausgeschlagen, die ihm in Anerkennung seiner Expedition nach Vardø angetragen wurde. Doch der Wiener Kaiserhof zeigt sich davon nur wenig beeindruckt.
Gelehrter Zirkel
In bescheidenen Verhältnissen lebend sowie Neid und Missgunst ausgesetzt, flüchtet sich Hell schließlich zum Gelehrtenkreis des Freiherrn Josef von Penkler. Dieser hat eine Intellektuellenrunde mit ehemaligen Jesuiten um sich geschart, und zwar auf seinem Anwesen im niederösterreichischen Maria Enzersdorf, nahe der Burg Liechtenstein. Neben Hell gehört ihr auch die im benachbarten Brunn am Gebirge ansässige, schon erwähnte Astronomin Baronin Elisabeth von Matt an. In der Camera obscura des Schlosses werden Beobachtungen angestellt.
Seinen Pflichten als Sternwartedirektor kommt Hell bis ins hohe Alter nach: So empfängt er trotz einer starken Erkältung einen türkischen Gesandten - und erliegt nur wenige Tage später, am 14. April 1792, einer Lungenentzündung. Franz de Paula Triesnecker folgt ihm als Sternwartedirektor nach und schreibt auch den ersten Nachruf.
Maximilian Hell liegt neben seinem Gönner Josef von Penkler am sogenannten "Romantikerfriedhof" in Maria Enzersdorf begraben. Auch der heilige Klemens Maria Hofbauer wird dort seine letzte Ruhestätte finden. Eine Gedenkbüste der slowakischen Maximilian-Hell-Gesellschaft erinnert an den Astronomen.
Am Firmament versuchte sich Hell mit seiner dem englischen König Georg III. gewidmeten "Georgsharfe" zu verewigen. Das Sternbild fand aber nie internationale Anerkennung. Schließlich wurde Hell posthum in höhere Sphären gehoben, als man 1935 auf Betreiben der Internationalen Astronomischen Union einen Krater im Süden der Mondvorderseite nach ihm benannte.
Nora Pärr, geboren 1977, hat sich in ihrer Dissertation (2011) mit Maximilian Hell und seinem wissenschaftlichen Umfeld im Wien des 18. Jahrhunderts befasst.