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May blieb Antworten schuldig

Von Martyna Czarnowska

Politik
Für eine Zwei-Jahres-Frist nach dem EU-Austritt plädiert May.
© reu

Die Hoffnungen auf einen klaren Brexit-Kurs erfüllte die britische Premierministerin in Florenz nicht.


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Florenz/London. Die Gemeinsamkeiten standen im Hintergrund. "Geteilte Geschichte, geteilte Herausforderungen, geteilte Zukunft" war auf dem Plakat zu lesen, vor dem Theresa May ihre Grundsatzrede hielt. Dennoch war die britische Premierministerin am Freitag nach Florenz gereist, um in erster Linie über eine Trennung zu sprechen: In der Klosteranlage Santa Maria Novella gab sie Details über die Modalitäten des Austritts ihres Landes aus der Europäischen Union bekannt.

Doch danach waren die Europäer nicht viel klüger als zuvor. Einmal mehr unterstrich May, dass die Briten zwar die EU, aber nicht Europa verlassen wollen. Sie betonte die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung sowie Terrorbekämpfung - und dass London zu seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft stehe.

Details zu diesem Punkt, der einer der umstrittensten in den Brexit-Verhandlungen ist, nannte die Politikerin freilich nicht. Zuvor war eine Summe von 20 Milliarden Euro kolportiert worden, die das Königreich an die EU zu überweisen bereit wäre. In Brüssel hingegen ist von fast drei Mal so viel Geld die Rede, das Großbritannien der Union schuldet. May wollte die Partner lediglich beruhigen: Kein Land müsse befürchten, dass es wegen der Entscheidung der Briten mehr zahlen müsse oder weniger erhalte: "Großbritannien wird seine Verpflichtungen einhalten, die es während seiner Mitgliedschaft eingegangen ist."

Diese soll im März 2019 enden. Danach aber sollte es eine Übergangsperiode geben, wünscht sich die Premierministerin. Das wäre für beide Seiten hilfreich, es würde Bürgern und Unternehmen mehr Sicherheit geben. In dieser Zeit, die für die Umsetzung neuer Regelungen zu nutzen wäre, hätte die Insel weiterhin Zugang zum europäischen Binnenmarkt - müsste aber dessen Prinzipien beachten. Die Frist solle aber genau definiert sein: Zwei Jahre wären eine Option.

Meldepflicht für EU-Bürger

In dieser Phase sollen sich EU-Bürger auch weiterhin in Großbritannien niederlassen dürfen. Allerdings müssten sie sich registrieren. Ihre Zukunft sorgt ebenfalls für Zwistigkeiten. Die EU sorgt sich nämlich um die Bleibe- und andere Rechte von Millionen Menschen, die auf der Insel leben und arbeiten. Dazu erklärte May: "Wir wollen, dass ihr bleibt. Wir schätzen euren Beitrag zu unserer Gesellschaft."

Dennoch gehörten die Einwanderung und das Gefühl, die Kontrolle darüber zu verlieren, zu den wichtigsten Argumenten für viele Briten, beim Referendum im Vorjahr für ein Ausscheiden der Insel zu stimmen. Souveränität war auch in einem anderen Bereich ein Thema: bei der Justiz. So hatte die britische Regierung es abgelehnt, weiterhin die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzuerkennen. Nun äußerte Theresa May den Wunsch, dass britische Gerichte die Urteile des EuGH berücksichtigen können.

Sie meinte aber ebenfalls, dass die Briten mit den Begriffen Souveränität und Demokratie verbinden, dass Entscheidungen in ihrem Land getroffen werden - und nicht in Brüssel. Daher kommt auch der Unwille, alle Pflichten auszuüben, die an den gemeinsamen Binnenmarkt geknüpft sind. Stattdessen möchte Großbritannien ein neues Handelsabkommen, einen "neuen Rahmen, mit einer neuen Balance der Rechte und Pflichten", wie es die Premierministerin ausdrückte.

Zankapfel Geld

So aufmerksam Mays Rede in Brüssel verfolgt wurde, so wenig ist zu erwarten, dass sie den schleppenden Brexit-Verhandlungen plötzlich Schwung verleiht. Denn die Details fielen vager aus als erhofft. Dennoch lobte EU-Chefverhandler Michel Barnier den "konstruktiven Geist", in dem die Ansprache in Florenz gehalten gewesen sei. Ebenso hob er hervor, dass Großbritannien zum ersten Mal darum ersucht habe, auch nach dem Brexit am europäischen Binnenmarkt teilzuhaben. Darüber sei die EU bereit zu diskutieren. Die nächste Gesprächsrunde beginnt kommende Woche.

Aus dem Königreich kamen aber prompt Klarstellungen. Großbritannien will einem Regierungs-Insider zufolge nach dem Ausstieg aus der Europäischen Union kein Geld für die Teilnahme am EU-Binnenmarkt aufbringen. Die von der Premierministerin genannten finanziellen Beiträge bezögen sich auf andere Posten wie Kultur- und Wissenschaftsprogramme.

Mays Rede stand auch im Fokus von Investoren. Der britische Leitindex FT-SE-100 konnte danach am Nachmittag merklich stärker ins Plus drehen.