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May-Lüfterl

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die britische Premierministerin Theresa May hat sich darüber beklagt, dass die 27 EU-Länder den Brexit-Deal auf Kosten Großbritanniens aushandeln wollen. Dieser Satz zeigt schon, dass es May dabei entweder ausschließlich um britische Innenpolitik geht (schlecht), oder dass sie der Meinung ist, die EU wäre aus dem Vereinigten Königreich ausgetreten (sehr schlecht).

Die mittlerweile bekannt gewordenen Details vom Abendessen zwischen Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lassen den Schluss zu, dass die britische Regierung nicht die geringste Ahnung hat, welch ungeheures Unterfangen der Austritt aus der Europäischen Union tatsächlich ist.

Das hat sogar die EU-Zerstörerin Marine Le Pen in Frankreich kapiert. Sie hat, um ihre Wahlchancen für die Stichwahl am kommenden Sonntag zu verbessern, eine - seglerisch gesprochen - Patenthalse hingelegt. Der Frexit, also der Austritt Frankreichs aus der EU, ist nun keine Option mehr für den extrem rechten Front National. Da die Patenthalse, vorsichtig ausgedrückt, zu den eher unerwünschten Segelmanövern gehört, hat er wohl erkannt, dass er mit der Frexit-Idee eine Minderheit bildet.

May hingegen bleibt diese Erkenntnis verborgen. Oder sie lügt, weil sie ja am 8. Juni Neuwahlen angesetzt hat und bis dahin den britischen Bürgern noch viel Sand in die Augen streuen möchte. Mit kräftigen "Rule Britannia"-Sagern will sie diese Wahlen gewinnen, weil die oppositionelle Labour-Partei so schwach ist.

Aber sie erweist ihrem Land damit keinen guten Dienst, im Gegenteil. Mit jeder Woche, die vergeht, steigen die Chancen auf einen harten Brexit, der das Vereinigte Königreich im Frühjahr 2019 ins Chaos stürzen würde. In Brüssel wird derzeit sogar erwogen, Irland zur (ungeliebten) Vereinigung mit Nordirland zu bewegen, um noch ärgere Verwerfungen zu vermeiden.

Europa beobachtet derzeit in Großbritannien am lebenden Objekt zwei Tatsachen: Der Austritt aus der EU kostet tatsächlich sehr viel Geld und Wohlstand. Und eine nationale Politik, die bloß auf den Machterhalt einer Partei ausgerichtet ist, kostet ebensoviel Geld und Wohlstand.

Daher eine Prognose: Trotz schwacher Opposition wird Mays Wahlergebnis dürftig ausfallen. Das einzig Gute daran: Die anderen Nationalisten in Europa haben ein Argument weniger. Es ist halt furchtbar teuer.