Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Geschieht ihr recht. Theresa May wollte einen glänzenden Wahlsieg einfahren, der ihr Rückendeckung für kompromisslose Brexit-Verhandlungen mit der EU geben sollte. Ganz nebenbei sollte Polit-Konkurrent Labour verdrängt werden.
Es kam anders. Vor allem Junge und die Städte zeigten May, dass sie mit dem Total-Brexit wenig Freude haben. Nun ist sie ausgerechnet von einer nordirischen Kleinpartei abhängig - und die Nordiren haben beim Brexit vieles, wenn nicht alles zu verlieren. Dass die kommende britische Regierung das EU-Austrittsdatum im März 2019 überlebt, scheint unwahrscheinlich.
Ganz anders Frankreich. Der noch vor einem Jahr ob seiner Präsidentschafts-Pläne eher belächelte Emmanuel Macron schickt sich an, bei den Parlamentswahlen mit seiner Bewegung "La République en marche" die absolute Mehrheit zu erreichen. Die Stimmung in Frankreich ist deutlich besser als die Wirtschaftsdaten (also umgekehrt wie in Österreich). Er verfolgt eine klar europäische Position und will Europa als eigene Weltmacht neben den USA und Russland etablieren. Nicht nur in Frankreich gefällt das sehr vielen Leuten.
Macron und May sind die Antipoden eines europäischen Konzeptes. May sieht die EU als kaufkräftige Zollunion, als sterilen Binnenmarkt für Unternehmen. Macron gibt der EU ein Gefühl - ein "savoir-vivre". May steht vor den Trümmern ihrer Politik, Macron dagegen fährt mit seiner Politik reiche Ernte ein.
Für anstehende Wahlen in anderen EU-Ländern wie Deutschland, Österreich, vielleicht auch Italien, sollte daher die Richtung klar sein. Wer die Jungen an seiner Seite haben will, muss Europa eine Vision geben. Wer die Städte haben will, braucht eine liberale und weltoffene Gesinnung. Wer die ländlichen Regionen überzeugen will, muss eine positive Antwort für Abwanderungsgebiete finden. Das alles ist möglich - siehe Macron. Theresa May hat dem Vereinigten Königreich zuerst mit ihrer "hard Brexit"-Politik und nun mit den Neuwahlen einen Bärendienst erwiesen. Die Unsicherheit, die sich nun dort ausbreitet, wird wirtschaftliche Folgen haben - für längerfristige Investitionsentscheidungen von Unternehmen sind solche Situationen Gift.
Merkel in Deutschland und Renzi in Italien haben dies bereits erkannt. Wir dürfen nun gespannt sein, welche Schlussfolgerungen die heimischen Parteien ziehen.