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Mazedonien droht jetzt der wirtschaftliche Kollaps

Von Jasmina Mironski, Skopje

Wirtschaft

"Wir sind der Meinung, daß Mazedonien jetzt am Rande des Zusammenbruchs steht." In diese klaren Worte faßt Weltbank-Vertreter Zoran Andonovski in Skopje die dramatischen Folgen des Kosovo-Krieges | für das südliche Nachbarland Jugoslawiens.


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Für die mazedonische Wirtschaft bedeutet der Konflikt in der Tat eine einzige Katastrophe. Denn Jugoslawien war der wichtigste Handelspartner Skopjes und Transitland für 90% des

Warenaustauschs mit den Ländern der Europäischen Union. Gegenwärtig steigt die ohnehin hohe Zahl der Arbeitslosen · die Rate beträgt 35 bis 40% · weiter dramatisch, ausländische Investitionen bleiben

wegen der unsicheren Lage zunehmend aus. Die Regierung spricht zwar noch nicht von Hyperinflation oder Rationierung, sieht aber bereits Anzeichen einer schweren sozialen Krise.

Bereits in der Übergangsphase nach dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien vor sieben Jahren hatte Mazedonien mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Die internationalen Sanktionen

gegen Belgrad während des Bosnien-Krieges bescherten dem Land Verluste von umgerehnet mehr als 45 Mrd. Schilling. Die seinerzeit versprochenen Hilfen des Westens seien ausgeblieben, beklagt die

stellvertretende Ministerpräsidentin Radmila Kiprijanova.

Mit dem Kosovo-Krieg hat sich diese Lage gefährlich zugespitzt. Mazedonien ist nicht nur seines wichtigsten Handelspartners sowie der entscheidenden Handelswege beraubt und steht ohne nennenswerte

ausländische Investitionen da, sondern muß auch noch Zehntausende Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Kosovo aufnehmen. Bereits mehr als 175.000 Kosovo-Albaner kamen nach Angaben der

Regierung in Skopje in den vergangenen Wochen über die Grenze.

Angesichts dieser Entwicklung fordert Kiprijanova "so etwas wie einen Marshall-Plan" für ihr Land. Nur massive und schnelle internationale Hilfe könne Mazedonien vor dem Zusammenbruch bewahren.

Immerhin habe sich ihr Land als "Förderer des Friedens und als Stabilitätsfaktor in der Region" erwiesen, betont die Vize-Regierungschefin. Warnend fügt sie hinzu: "Die wirtschaftliche Situation

könnte unsere Fähigkeit in Frage stellen, diese Rolle beizubehalten."

Die Weltbank schätzt die Lage ebenfalls als ernst ein und sah sich genötigt, für den 5. Mai eine Konferenz der Geberländer in Paris einzuberufen. Ziel ist es, Kredite im Umfang von 50 bis 100 Mill.

Dollar zusammenzubekommen. Dies könne aber lediglich eine erste dringende Finanzspritze sein, betont Kiprijanova. Die Verluste, die Mazedonien allein in diesem Jahr durch den Kosovo-Krieg entstehen

werden, beziffert die Wirtschaftswissenschaftlerin Antonija Josifovska auf rund 1,6 Mrd. Dollar. Dazu kämen noch die Kosten für die Flüchtlingsaufnahme, die sich auf monatlich 200 Mill. Dollar

beliefen.