· Für George W. Bush sind die Zeiten vorbei, in denen seine Anhänger dachten, er müsse als US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner nur noch gekrönt werden: Seit dem ungeahnt | deutlichen Sieg seines Rivalen John McCain bei den Vorwahlen in New Hampshire ist der Glaube daran erschüttert, dass die Nominierung des Gouverneurs von Texas ausgemachte Sache ist.
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Aber auch der demokratische Vizepräsident Al Gore kann sich zunächst nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Sein Sieg über Bill Bradley war zu knapp, als dass die Rolle des Unschlagbaren nun
ihm zufällt.
Sowohl die gute Wirtschaftslage als auch die Nachwehen des Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Bill Clinton machten die Vorwahlen in New Hampshire zu einer Frage der Persönlichkeiten und
nicht der Sachpolitik. Mit seinem Freimut, seinem loyalen Verhalten in der Kriegsgefangenschaft und seinem Kreuzzug gegen Lobbyisten und Großspender begeisterte McCain die skeptischen Wähler in dem
Bundesstaat im Nordosten der USA. Der Senator von Arizona hielt 114 Bürgerversammlungen ab, bei denen er sich nicht scheute, den Fragestellern unbequeme Wahrheiten zu servieren. "Er ist ehrlich und
er ist ein echter amerikanischer Held", sagte sein Anhänger Tim Raleigh in der Wahlnacht.
Bush scheint es nicht genutzt zu haben, dass seine Eltern · der ehemalige Präsident George Bush und Frau Barbara · nach New Hampshire kamen, um an seiner Seite aufzutreten. Misstrauisch beäugt wurden
auch die Rekordsummen, die der Texaner für seinen Wahlkampf angehäuft hat.
Indes ist das Geld einer der Hauptgründe, warum Bush trotz des Rückschlags weiterhin als aussichtsreichster Bewerber bei den Republikanern gilt. Sein Kontrahent McCain muss sich sputen, die Mittel
für eine nationalen Wahlkampf zusammenzubringen, dessen nächste Etappe die Vorwahlen in South Carolina am 19. Februar sind. Bush hat mit Hilfe des republikanischen Parteiapparates im konservativen
Süden eine "Brandmauer" gegen seinen Widersacher aufgebaut. McCain setzt seine Kräfte sparsam ein und verzichtet in einigen Bundesstaaten auf jeglichen Wahlkampf. Bush gehe mit der Schrotflinte auf
die Jagd, McCain mit einem Präzisionsgewehr, meint Dick Foley, einer der Berater des Senators von Arizona.
Auf der demokratischen Seite wiederum könnte Gore die Konkurrenz teuer zu stehen kommen. Bradley verfügt über 20 Millionen Dollar, so dass er noch mindestens bis zu den "Superdienstagen" im März
weitermachen will, an denen in den bevölkerungsreichsten Bundesstaaten vorgewählt wird. Für die Wähler im Süden und Westen sei Bradley ein unbeschriebenes Blatt, auf dem auch seine bisherigen
taktischen Fehler nicht verzeichnet seien, meint der demokratische Funktionär Bob Mulholland.
Für die beiden Spitzenreiter ist das Ergebnis von New Hampshire keine Katastrophe, allerdings auch kein Grund zum Jubeln. Sie müssen weiter Energie und Ressourcen aufwenden, um sich im eigenen Lager
durchzusetzen, bevor sie sich auf den eigentlichen Wahlkampf gegeneinander konzentrieren können. Bush sei gegenüber McCain weiter im Vorteil, weil er mehr Geld, einen berühmten Namen und den
Parteiapparat auf seiner Seite habe, meint der Politikwissenschaftler Brad Gomez von der Universität von South Carolina. McCains Sieg in New Hampshire werde beachtliche Wellen schlagen, sagt der
Politologe Thomas Mann von der Brookings Institution in Washington. "Aber ich glaube nicht, dass dies ausreichen wird, um die Nominierung von George W. Bush zu verhindern."