Wie man in der Politik mit Optik und Wirtschaft umgeht - eine Analyse.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Zuerst der Skandal, dass der umstrittene kasachische Ex-Botschafter Rakhat Aliyev mit seiner AV Maximus Holding AG am Media Quarter beteiligt ist. Dann der Skandal, dass er bis Ende 2013 die Möglichkeit hat, um nur 5,2 Millionen Euro auch noch den 40-Prozent-Anteil der Stadt Wien zu erwerben.
Jetzt heißt es, dass sich "plötzlich" alle aus dem Projekt zurückziehen - und die Wiener FPÖ etwa vermutet bereits den nächsten Skandal: Die Stadt versuche jetzt nämlich schnell, das Media Quarter zu verkaufen, damit es nicht vom neuen Stadtrechnungshof geprüft werden kann.
Was in der Öffentlichkeit hängen bleibt: Die Stadt Wien macht Geschäfte mit einem Kriminellen - immerhin wird gegen Rakhat Aliyev in Deutschland, Österreich und Malta wegen Geldwäsche und Mordes ermittelt. Und jetzt versucht die SPÖ, alles so schnell wie möglich zu vertuschen. Und überhaupt: Wahrscheinlich haben Bürgermeister Michael Häupl und Finanzstadträtin Renate Brauner Aliyev bestochen, damit seine Frau nicht das ganze Media Quarter kauft - mit Steuergeldern versteht sich. Das wäre nämlich für die SPÖ keine gute Optik gewesen, so kurz vor der nächsten Wahl.
Ist das böser Zynismus? Vielleicht. Auf jeden Fall aber ist es der Tratsch aus dem Greißler von nebenan, die Geschichten, die am Stammtisch erzählt werden - eben das, was in der Öffentlichkeit hängen bleibt.
Aber stimmt das auch? Aliyev hat immerhin in seinem Buch "Tatort Österreich" im Kapitel "St. Marx - das Debakel von Wien" geschrieben, dass Häupl und Brauner von Anfang an "eingeweiht" gewesen seien. Er erinnere sich sogar, bei einem Eishockey-Spiel der Vienna Capitals Brauner die Partnerschaft mit der Stadt "erfolgreich schmackhaft gemacht" zu haben, schreibt er in dem Buch.
Allerdings haben das Brauner und Häupl entschieden von sich gewiesen. Beide betonen, nie etwas mit Aliyev zu tun gehabt zu haben. Brauner selbst sei zur Zeit der Vertragsabschlüsse überhaupt noch Gesundheitsstadträtin gewesen und Aliyev habe sie persönlich nie kennengelernt.
Zur Zeit der Vertragsabschlüsse war wiederum Aliyev noch angesehener Botschafter in Wien - und noch nicht "umstritten". Abgesehen davon war von ihm als Investor noch überhaupt keine Rede - schließlich stand Ex-Nationalbankpräsident Adolf Wala an der Spitze der VBM, die als privater Partner in das Media-Quarter-Projekt eingestiegen war. An dessen Seriosität hatte damals niemand gezweifelt. Und an der von Aliyev wohl auch kaum.
Beschlüsse wurden von allen mitgetragen
Dass bei der Stadt Wien - die im Projekt bis dato durch das ZiT vertreten ist - bis Oktober 2012 trotzdem niemand von Aliyevs Beteiligung gewusst haben will, stimmt zumindest formell. Schließlich hat ein Privatbeteiligter gegenüber seinem Partner keine Auskunftspflicht über seine Investoren. Außerdem betont man bei den Projektentwicklern stets, dass sämtliche Beschlüsse im Präsidium des damaligen Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (heute Wirtschaftsagentur) abgesegnet wurden. Und in diesem war auch die Wirtschaftskammer vertreten. Auch die Kredite in Höhe von 50 Millionen Euro seien damals von der Raika trotz aufwendiger Überprüfungsverfahren genehmigt worden. Und wirtschaftlich betrachtet ist das Media Quarter bis jetzt ein erfolgreiches Projekt. Immerhin ist der Standort zu 90 Prozent vermietet und beschäftigt mittlerweile mehr als 1000 Personen - auch wenn der ORF wohl nicht seine Zelte dort aufgeschlagen wird.
Auf der einen Seite sind für die Opposition die Umstände verdächtig, die die Beteiligung Aliyevs ans Tageslicht gebracht haben: Erst eine Prüfung durch die Kanzlei Consultatio habe nämlich diese Klarheit gebracht. Und diese sei erst auf Druck der Opposition erfolgt. Dass damals der rote Nationalbankdirektor Adolf Wala ins Boot geholt wurde, findet man ebenfalls höchst fragwürdig.
Schiefe Optik war nie wirklich das Thema
Auf der anderen Seite war es wiederum die Opposition, die Ende November 2013 laut aufgeschrien hat, als bekannt wurde, dass Aliyev theoretisch das gesamte Media Quarter kaufen könnte - aber nicht wegen der schiefen Optik, sondern weil der Gesamtabtretungspreis mit 5,2 Millionen Euro laut ÖVP viel zu niedrig angesetzt worden war. Die ÖVP sprach davon, dass die Stadt auf diese Weise 10 Millionen Euro verlieren könnte.
Schließlich wurde diese Option gar nicht wahrgenommen. Sie ist mit Jahreswechsel ausgelaufen. Und sie hätte von Aliyev beziehungsweise seiner Frau, Elnara Shorazova, die mittlerweile Eigentümerin der AV Maximus Holding AG ist, bereits 2010 gezogen werden können. Was jetzt folgt, ist ein Verkaufsprozess, wie er von Anfang an im Sinne des PPP-Modells geplant war: Gemeinsam mit einem Partner ein Stadtentwicklungsprojekt voranzutreiben, das Wirtschaftsimpulse setzt und Arbeitsplätze bringt. Und es zu verkaufen, wenn es ins Laufen gebracht wurde - eventuell sogar noch mit einer kleinen Rendite.
Das wäre im Übrigen auch passiert, wenn Aliyev beziehungsweise seine Frau die Anteile der Stadt gekauft hätte. Jetzt kann die Stadt allerdings mehr verlangen als die "wertgesicherten" 5,2 Millionen Euro. Denn der neue Eigentümer kann gegenüber dem Verkäufer kein Verwertungsrisiko mehr geltend machen.
Der Vorwurf, die Stadt wolle jetzt schnell verkaufen, damit das Media Quarter nicht vom Rechnungshof geprüft werden kann, ist somit auch vom Tisch - zumal der Verfassungsgerichtshof noch im ersten Quartal dieses Jahres bekanntgeben will, ob der Bundesrechnungshof prüfen darf. Wenn das der Fall sein sollte, dann geht sich das auf alle Fälle noch vor dem Verkauf aus.
Was die Stadt aber daraus lernen könnte, ist, stärker die Kultur der Transparenz zu leben. Auf dem Markt darf sie nämlich nicht wie ein privates Wirtschaftsunternehmen agieren, sondern ist in der Pflicht des Steuerzahlers und hat ihm gegenüber eine Bringschuld.
Auf PPP-Modelle will heute niemand verzichten
Auf PPP-Modelle will aber selbst die Stadt nicht verzichten. Geld hat ja bekanntlich kein Mascherl. Es hat auch der Wiener Bürgermeister unmissverständlich festgestellt: Die Stadt wachse und es müsse in die Infrastruktur investiere werden. "PPP-Modelle sind hier eine gute Möglichkeit, um für eine entsprechende Umsetzung zu sorgen", so Häupl. Media Quarter gut, alles gut? Vielleicht. Immerhin kann die Stadt jetzt ein erfolgreiches PPP-Modell gewinnbringend verkaufen. Und der oberflächliche Fehler in der Optik konnte korrigiert werden. Dieses potenzielle Wahlkampfthema für 2015 wäre also vom Tisch.
Die eigentliche Frage, die sich allerdings noch stellt, ist: Warum hat Aliyev eigentlich die Option nicht gezogen? Bei der Wirtschaftsagentur meint man dazu, dass ein Investor nicht daran interessiert sei, eine Immobilie zu erwerben, die mit einem Kredit von 50 Millionen Euro belastet ist - diese Einstellung wäre allerdings eine schlechte Voraussetzung für einen gewinnbringenden Verkauf. Aber das könnte auch eine Frage der Ideologie sein.